Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Verwertung von E-Mails eines Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Sendevorgang abgeschlossen, kommt ein Verwertungsverbot von E-Mails nach § 88 Abs. 3 TKG jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die E-Mails auf einem Ordner abgelegt sind, auf den der Arbeitgeber ohne Zugriff auf das Internet zugreifen kann.
2. Es stellt eine unverhältnismäßige Kontrollmaßnahme nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. dar, wenn der Arbeitgeber auf einen vagen Hinweis, der Arbeitnehmer hätte sich geschäftsschädigend über den Arbeitgeber geäußert, den privaten E-Mail-Verkehr eines Arbeitnehmers in einem Zeitraum von einem Jahr auswertet.
3. Dieser Verstoß gegen Datenschutzrecht führt nach einer Abwägung zwischen Art. 103 Abs. 1 GG und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1, 2 Abs. 1 GG zu einem “Sachvortragsverwertungsverbot„.
4. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich die Arbeitnehmer anhalten, private E-Mails in einem separaten Ordner abzuspeichern oder nach Kenntnisnahme zu löschen. Allerdings müssen diese Vorgaben selbst dem aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG abzuleitenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Dies bedeutet, dass die Vorgaben transparent und erforderlich sein müssen, um die vom Arbeitgeber verfolgten Zwecke zu wahren.
Normenkette
GG Art. 1, 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1; EMRK Art. 8; TKG § 88 Abs. 3; BDSG a.F. § 32 Abs. 1; BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.03.2018; Aktenzeichen 6 Ca 2159/17) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. März 2018 - 6 Ca 2159/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Hauptsache um die Wirksamkeit einer durch die Beklagte ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wobei das Arbeitsverhältnis unstreitig infolge einer Eigenkündigung zum 31. Mai 2017 geendet hat.
Die Beklagte ist ein Handelshaus, das sich auf den Handel mit Polymere, Additiven und Polymerchemikalien spezialisiert hat. Im Betrieb wurden ca. 12 Mitarbeiter beschäftigt. Der am xx.xx.1967 geborene Kläger war aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 29. Juni 2010 ab dem 1. September 2010 bei der Beklagten als Senior Product Manager zu einem Gehalt von zuletzt 6.600 Euro brutto beschäftigt.
Der aktuelle Geschäftsführer der Beklagten Herr A stammt aus Kasachstan.
Bei der Beklagten existiert eine IT- Sicherheitsrichtlinie, in der es unter Ziff. 2.2 ua. heißt (Bl. 100 der Akte)≪≪/p≫
"…Betriebliche Gründe können erfordern, dass die persönliche E-Mail-Box durch Anordnung eines Vorgesetzten eingesehen werden muss. Von dieser Einsicht kann ein persönlicher Ordner ausgeschlossen werden, der deutlich als privat zu kennzeichnen ist. Es wird empfohlen, private E-Mails nach dem Lesen direkt zu löschen. …"
Die E-Mail-Accounts auf den dienstlichen Rechnern sind durch ein persönliches Passwort geschützt. Sämtlicher E-Mail-Verkehr wird automatisch in einem "Mailarchiv" auf einem Rechner bei der Beklagten gespeichert. Auf diesen Ordner kann der Arbeitgeber grundsätzlich zugreifen, muss dazu aber einen externen IT-Diensteanbieter einschalten.
Der Kläger schrieb am 22. Februar 2016 von seinem dienstlichen PC aus eine E-Mail an die Adresse "xxxx", in der es auszugsweise heißt:
"… Letztes Jahr hatte ich beim alten Arbeitgeber gekündigt. Haben neuen GF Idiot bekommen. Was für eine Flasche. Hab ich die Reißleine gezogen. Dann hat man mich bequatscht und den neuen GF in der Probezeit wieder nach Hause geschickt. Bin ich da geblieben. Jetzt Russen Arschloch bekommen. Die Scheiße geht geradeso weiter. Hatten mir versprochen, wird "Fachmann" sein, wenn wieder einer kommt … Man es tummeln sich so viele Flaschen und die bekommen immer wieder ein Job…"
Wegen der weiteren Einzelheiten der E-Mail wird verwiesen auf Bl. 55 - 56 der Akte.
Der Kläger schrieb am 17. Mai 2016 an Herrn B eine E-Mail (Bl. 57 der Akte), in der es u.a. wie folgt heißt:
"…Haben schon wieder neuen Vorturner (GF) bekommen. Was für eine Flasche. Russen Ei!!!!. Aktuell such ich was NEUES…".
Am 3. November 2016 schrieb er an C - hierbei handelt es sich um den ehemaligen Vorgesetzten des Klägers - eine E-Mail mit auszugsweise folgenden Inhalt (Bl. 58 der Akte)≪
"…Der andere Russen/China Rohrkrepierer soll jetzt mal Bluestar angehen bezüglich Plattform, welche Spezialitäten, Menge nach Europa,
PBT exclusiv über uns. Leck mich doch am Arsch…"
In einer E-Mail vom 21. Februar 2017 äußerte der Kläger an Frau D u.a. (Bl. 60 der Akte≪/
"…Mich vorher aber aufheizen - ich kann Dir sagen - Kolchose Bude".
In einer E-Mail vom 28. Februar 2017 an Frau E äußerte der Kläger (Bl. 53 der Akte) u.a.:
"Hallo Frau E,
werde wohl heute in den Sack hauen…Hier gibt's nur noch Borschtsch …."
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Februar 2017 zum 31. Mai 2017 (Bl. 16 der Akte).
In einer E-Mail vom 6. März 2017 an die Adresse xxxx äußerte der Kläger ...