Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer tariflichen Regelung zur Betriebsrentenanpassung. Überprüfung einer tariflichen Regelung zur Betriebsrentenanpassung

 

Leitsatz (redaktionell)

Gegen die Wirksamkeit einer Regelung in einem Tarifvertrag über die betriebliche Versorgungsordnung in einem Lebensversicherungsunternehmen, wonach der Vorstand jährlich entscheiden muss, ob eine Anpassung der Betriebsrenten entsprechend der gesetzlichen Rentenerhöhung für vertretbar gehalten wird, anderenfalls mit dem Aufsichtsrat gemeinsam über einen angemessenen Ausgleich zu entscheiden ist, bestehen keine rechtlichen Bedenken.

 

Normenkette

BetrAVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Entscheidung vom 13.05.2016; Aktenzeichen 3 Ca 12/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.09.2018; Aktenzeichen 3 AZR 289/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 13. Mai 2016 - 3 Ca 12/16 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anpassung der monatlichen Betriebsrente des Klägers zum 01. Juli 2015.

Der am xx. xx 1943 geborene Kläger war bis August 2016 Arbeitnehmer der A AG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den B Konzern eingebunden ist.

Der Kläger hat Anspruch auf betriebliche Altersversorgung nach dem Tarifvertrag über die betriebliche Versorgungsordnung vom 01. April 1985, abgeschlossen zwischen einer Tarifgemeinschaft der unter anderem die A AG angehörte und der ehemaligen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (vgl. Bl. 5 - 20 d. A. und Anlage B3, Bl. 230-245 d. A.).

Der Kläger bezieht seit dem 01. September 2006 eine betriebliche Rente. Die Ausgangsrente betrug 564,24 € brutto monatlich (vgl. Schreiben der A AG vom 03. August 2006, Anlage B1, Bl. 57 - 59 d. A.). Die betriebliche Rente wurde in der Vergangenheit jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die gesetzliche Rentenversicherung anpasste, gemäß der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst und betrug Stand 30. Juni 2015 681,34 € brutto monatlich. Ab dem 01. Juli 2015 zahlt die Beklagte an den Kläger eine um 0,5 % erhöhte Betriebsrente in Höhe von 684,75 € brutto monatlich.

Der Tarifvertrag Versorgungsordnung vom 01. April 1985 (im Folgenden: VO 85) enthält hierzu folgende Regelung:

§ 6 Anpassung der Renten

1. Die Renten werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst.

2. Die Anpassung der Renten erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

(Der § 49 AVG ist durch Art. 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01. Januar 1992 in Kraft getreten).

3. Die Renten werden angepasst, wenn der Versorgungsfall vor dem 01. Dezember des Vorjahres eingetreten ist.

4. Hält der Vorstand die Veränderung der Renten nach Ziff. 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.

Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziff. 1.

Der Vorstand der C AG, der Holdinggesellschaft beschloss, dass eine Anpassung der Renten nach VO 85 um mehr als 0,5 % nicht als vertretbar erscheine. Weiter wurde beschlossen, eine entsprechende Beschlussfassung zur Rentenanpassung durch die Vorstände/Geschäftsführungen und Aufsichtsräte der betroffenen Konzerngesellschaften zu initiieren.

Der Vorstand der Beklagten und der D AG haben ebenfalls beschlossen: "Die in § 6 Ziff. 3 der Ausführungsbestimmungen des BVW bzw. § 6 Ziff. 4 der VO 85 normierten Ausnahmeregelungen anzuwenden und den Aufsichtsräten der E und der F zur jeweils gemeinsamen Beschlussfassung vorzuschlagen, die zum 01. Juli 2015 zu gewährenden Rentenanpassungen der Gesamtversorgungsbezüge bzw. der Renten in den genannten Versorgungswerken nicht wie grundsätzlich vorgesehen gemäß der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 2,1 % (Anmerkung: Soweit sich die Beklagte auf eine Anpassung in Höhe von 2,1 % bezieht, diene dies - so die Beklagte - der vereinfachten Lesart; der konkrete Wert der Rentenerhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern zum 01. Juli 2015 betrage 2,09717 %), sondern nur in Höhe von 0,5 % zu gewähren. Eine Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge bzw. der Renten durch E/F um mehr als 0,5 % halten die Vorstände der E/F nicht für vertretbar."

Die Betriebsräte im Konzern wurden vor der Beschlussfassung angehört. Die Anhörung erfolgte mit E-Mail vom 15. Juni 2015 an die örtlichen Betriebsräte (Anlage B7 (1), Bl. 277 d. A.) und den Gesamtbetriebsrat der Beklagten und der D AG (Anlage B7 (2), Bl. 278 - 280 d. A.). Der Gesamtbetriebsrat sowie die Betriebsräte Passau, Regensburg, Ravensburg, Rosenheim, Frankfurt am Main, Saarbrücken, Hamburg, München, Berlin, Ha...

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