Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht des Arbeitgebers zur Anpassung der Betriebsrenten an die Entwicklung der gesetzlichen Renten aufgrund einer Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sieht eine Versorgungsordnung vor, dass sich die zugesagten Versorgungsbezüge jährlich entsprechend der Anpassung der gesetzlichen Renten erhöhen, sofern der Arbeitgeber keine hiervon abweichende Entscheidung trifft, so liegt ein Anspruch mit einem Änderungsvorbehalt vor. Ein solcher Vorbehalt kann grundsätzlich auch in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.

2. Die Auslegung der konkreten Versorgungsordnung ergibt, dass der Arbeitgeber von diesem Vorbehalt nur unter engen Voraussetzungen Gebrauch machen kann. Die Anpassung entsprechend der gesetzlichen Renten darf "nicht vertretbar" sein. Hierfür muss der Arbeitgeber darlegen, dass seine eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihm eine Anpassung im eigentlich geschuldeten Umfang nicht ermöglicht (Abweichung vom Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22.02.2017 - 6 Sa 972/16 -).

3. Weiterhin ergibt die Auslegung der Versorgungsordnung, dass nicht nur die Pensionsergänzung, sondern die Gesamtversorgungsbezüge gemäß der Entwicklung der gesetzlichen Renten anzupassen sind. Dies bezieht auch die Rentenleistungen aus einer konzerneigenen Pensionskasse mit ein.

 

Normenkette

BetrAVG § 16

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 18.01.2017; Aktenzeichen 10 Ca 1195/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.04.2019; Aktenzeichen 3 AZR 146/18)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 18. Januar 2017, Az. 10 Ca 1195/16, wird zurückgewiesen.
  2. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil teilweise abgeändert sowie insgesamt wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

    1. beginnend mit dem 01.07.2017 über den Betrag von € 688,14 brutto hinaus jeweils zum Ersten eines Monats weitere € 36,30 brutto,
    2. € 128,16 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 10,68 seit dem 02.07., 04.08., 02.09., 02.10., 03.11., 02.12.2015 und dem 05.01., 02.02., 02.03., 04.04., 03.05., 02.06.2016,
    3. € 435,60 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 36,30 seit dem 04.07., 02.08., 02.09., 05.10., 03.11., 02.12.2016 und dem 03.01., 02.02., 02.03., 04.04., 03.05., 02.06.2017

    zu zahlen.

    Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

  3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
  4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen; für den Kläger wird sie nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum 01.07.2015 und zum 01.07.2016.

Der 1947 geborene Kläger war vom 01.04.1985 bis zum 31.12.1999 Arbeitnehmer der V. Deutsche Lebensversicherung AG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den deutschen G. Konzern eingebunden ist. Seit dem 01.04.2012 gewährt sie dem Kläger eine Betriebsrente, die sich zu Beginn auf € 655,96 monatlich belief. Diese Betriebsrente wurde in der Vergangenheit entsprechend den Erhöhungen in der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. Sie betrug am 30.06.2015 monatlich € 668,58.

Ab dem 01.07.2015 zahlte die Beklagte dem Kläger eine um 0,5 % erhöhte Betriebsrente von monatlich € 671,92, obwohl die Rentenerhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu diesem Stichtag in den alten Bundesländern 2,0972 % betrug. Ab dem 01.07.2016 zahlte sie dem Kläger eine um weitere 0,5 % erhöhte Betriebsrente von monatlich € 675,28, obwohl die Rentenerhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu diesem Stichtag in den alten Bundesländern 4,2451 % betrug. Ab dem 01.07.2017 zahlt sie dem Kläger eine Betriebsrente von monatlich € 688,14. Zu diesem Stichtag gab sie die Rentenerhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern von 1,9 % an den Kläger voll weiter.

Mit seinen Zahlungsanträgen macht der Kläger - zweitinstanzlich zuletzt - für den Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2016 eine Erhöhung der Betriebsrente um 2,0972 % auf € 682,60 geltend, der monatliche Differenzbetrag zur gezahlten Rente beträgt € 10,68, der begehrte Nachzahlungsbetrag € 128,16. Außerdem verlangt er für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis zum 30.06.2017 eine Erhöhung um 4,2451 % auf € 711,58, der monatliche Differenzbetrag zur gezahlten Rente beträgt € 36,30, der begehrte Nachzahlungsbetrag € 435,60. Die Differenzbeträge sollen zeitlich gestaffelt verzinst werden. Ab dem 01.07.2017 verlangt der Kläger fortlaufend eine um € 36,30 höhere Betriebsrente. Die Geltendmachung eines höheren Differenzbetrags zur gezahlten Rente "in einem separaten Verfahren" behält er sich ab 01.07.2017 ausdrücklich vor.

Der Anspruch des Klägers auf betriebliche Altersversorgung ergibt sich aus dem Tarifvertrag über die betriebliche Versorgungsordnung vom 01.04.1985 (TV-VO 85), der kraft einzelvertragl...

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