Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Arbeitgebers zur Anpassung der Betriebsrenten an die Entwicklung der gesetzlichen Renten aufgrund einer Betriebsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Sieht eine Versorgungsordnung vor, dass sich die zugesagten Versorgungsbezüge jährlich entsprechend der Anpassung der gesetzlichen Renten erhöhen, sofern der Arbeitgeber keine hiervon abweichende Entscheidung trifft, so liegt ein Anspruch mit einem Änderungsvorbehalt vor. Ein solcher Vorbehalt kann grundsätzlich auch in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.
2. Die Auslegung der konkreten Versorgungsordnung ergibt, dass der Arbeitgeber von diesem Vorbehalt nur unter engen Voraussetzungen Gebrauch machen kann. Die Anpassung entsprechend der gesetzlichen Renten darf "nicht vertretbar" sein. Hierfür muss der Arbeitgeber darlegen, dass seine eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihm eine Anpassung im eigentlich geschuldeten Umfang nicht ermöglicht (Abweichung vom Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22.02.2017 - 6 Sa 972/16 -).
3. Weiterhin ergibt die Auslegung der Versorgungsordnung, dass nicht nur die Pensionsergänzung, sondern die Gesamtversorgungsbezüge gemäß der Entwicklung der gesetzlichen Renten anzupassen sind. Dies bezieht auch die Rentenleistungen aus einer konzerneigenen Pensionskasse mit ein.
Normenkette
BetrAVG § 16
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 16.11.2016; Aktenzeichen 4 Ca 1207/16) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.11.2016, Az. 4 Ca 1207/16, wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil teilweise abgeändert sowie insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
- beginnend mit dem 01.02.2018 über den Betrag von € 2.786,24 brutto hinaus jeweils zum Ersten eines Monats weitere € 149,41 brutto,
- € 547,56 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 45,63 seit dem 02.07., 04.08., 02.09., 02.10., 03.11., 02.12.2015 und dem 05.01., 02.02., 02.03., 04.04., 03.05., 02.06.2016,
- € 1.792,92 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 149,41 seit dem 04.07., 02.08., 02.09., 05.10., 03.11., 02.12.2016 und dem 03.01., 02.02., 02.03., 04.04., 03.05., 02.06.2017
zu zahlen.
Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
- Die Revision wird für die Beklagte zugelassen; für den Kläger wird sie nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum 01.07.2015 und zum 01.07.2016.
Der 1931 geborene Kläger war vom 01.10.1964 bis zum 31.12.1989 Arbeitnehmer der V. Deutsche Lebensversicherung AG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den deutschen G. Konzern eingebunden ist. Seit dem 01.11.1991 gewährt sie dem Kläger eine betriebliche Altersversorgung.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten errichtete in den 60iger Jahren eine betriebliche Altersversorgung, die als "Betriebliches Versorgungswerk" bezeichnet wird. Der Kläger gehört zum berechtigten Personenkreis. Unter dem 08.07.1987 schlossen der Gesamtbetriebsrat und die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Betriebsvereinbarung "Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes" (BVW). Die BVW gewährt den Anspruchsberechtigten eine Gesamtversorgung.
Zunächst wird eine individuell erreichbare Gesamtversorgung ermittelt (höchstens 70% des pensionsfähigen Arbeitsentgelts), von der als anzurechnendes Einkommen die gesetzliche Rente sowie Rentenleistungen aus einer Versorgungskasse der V. VVaG (sog. VK-Rente) abgesetzt werden. Die Lücke zum erworbenen Gesamtversorgungsanspruch wird mit einer Pensionsergänzungszahlung (sog. Vofue-Rente) ausgeglichen.
In den Ausführungsbestimmungen des BVW (BVW-A) ist ua. folgendes geregelt:
"§ 6 Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse
1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Renten versicherung angepasst.
(Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefaßt worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten).
2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3. Hält der Verstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.
Der Beschluß ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.
....
Bis zum 30.06.2015 zahlte die Beklagte dem Kläger (brutto) eine monatliche Gesamtrente iHv. € 2.709,33, die sich aus einer VK-Rente iHv. € 470,96 und einer Vofue-Rente iHv. € 2.238,37 zusammensetzte.
Ab dem 01...