Entscheidungsstichwort (Thema)
Schriftform. Unterschrift
Leitsatz (amtlich)
Eine eigenhändige Unterschrift im Sinne des § 126 bs. 1 BGB liegt nicht vor, wenn das „Gebilde” überhaupt keinen Bezug zu einem Namen hat.
Dies ist der Fall, wenn sich 2 Zeichen mit ca. 1 cm Abstand vorfinden, das 2. Zeichen erkennbar neu angesetzt ist und sich beide Zeichen ähneln. Beide Zeichen bestehen aus einem von links nach rechts führenden Bogen in der Waagerechten mit einem anschließenden senkrechten Strich, der beim ersten Zeichen mit einem Aufwärtshaken nach rechts und beim zweiten Zeichen mit einem Aufwärtshaken nach links endet. In der Mitte oben zwischen den beiden Zeichen findet sich ein Punkt.
Normenkette
BGB §§ 125-126
Verfahrensgang
ArbG Hanau (Urteil vom 04.08.2010; Aktenzeichen 3 Ca 653/09) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 2 AZN 840/11) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 04. August 2010 – 3 Ca 653/09 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen und einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten.
Die 56 Jahre alte Klägerin ist seit 01. Juli 1997 bei dem Beklagten in dessen Einrichtung in A als Mitarbeiterin des Beratungsdienstes beschäftigt. Zu ihrem Tätigkeitsfeld zählt die Familienarbeit im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich. Zuletzt erhielt sie ein monatliches Bruttoentgelt von 5.000,00 EUR. Grundlage der vertraglichen Beziehungen ist der schriftliche Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 1996 (Bl. 3 – 5 d. A.). Bei dem Beklagten arbeiten regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.
Mit Schreiben vom 30. November 2009 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Bezüglich des Wortlauts und des Unterschriftsbildes wird auf das Original der Kündigungserklärung (Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 04. August 2010, Hülle Bl. 223 d. A.) verwiesen. Eine hilfsweise ordentliche Kündigung erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 21. Dezember 2009. Wegen des Wortlauts und des Unterschriftsbildes dieser Kündigung wird ebenfalls auf das Original der Kündigungserklärung (Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 04. August 2010, Hülle Bl. 224 d. A.) verwiesen.
Gegen die Wirksamkeit dieser Kündigungen hat sich die Klägerin mit der am 04. Dezember 2009 und 05. Januar 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage bzw. Klageerweiterung gewandt.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, für die fristlose Kündigung gebe es keinen hinreichenden wichtigen Grund. Die Kündigungserklärungsfrist sei nicht gewahrt. Die ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt.
Beide Kündigungserklärungen des Beklagten seien außerdem lediglich mit einer das gesetzliche Schriftformerfordernis nicht wahrenden Paraphe unterzeichnet. Erkennbar seien jeweils nur zwei nicht verifizierbare „Haken”.
Die Klägerin hat zudem die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats in Abrede gestellt.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 30. November 2009 nicht beendet wurde,
- festzustellen, dass das Arbeitverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 21. Dezember 2009 nicht beendet wurde,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Kündigungen seien materiell gerechtfertigt. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden.
Die Kündigungserklärungen seien auch ordnungsgemäß unterzeichnet. Beide Kündigungen habe das geschäftsführende Vorstandsmitglied Rüdiger Jährling unterzeichnet. Es handele sich nicht um Paraphen. Das Vorstandsmitglied habe mit seinem Nachnamen unterzeichnet. Der Schriftzug beginne erkennbar mit einem „J”, lasse einen „i” erkennen und ende erkennbar mit einem „g”. Die verbleibenden Buchstaben seien durch Striche verkürzt. Herr B unterzeichne immer so. Dies sei der Klägerin auch bekannt. Auf die Lesbarkeit komme es nicht an, da der Schriftzug lediglich Andeutungen von Buchstaben erkennen lassen müsse. Insbesondere letzteres sei im vorliegenden Fall gegeben. Es handele sich um einen die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug, der einmalig sei, entsprechende charakteristische Merkmale aufweise, sich als Wiedergabe eines Namens darstelle und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lasse.
Durch Urteil vom 04. August 2010 ist das Arbeitsgericht den Feststellungsanträgen zu 1 und 2 gefolgt. Den Feststellungsantrag zu 3 hat es abgewiesen. Die beiden Kündigungserklärungen seien schon wegen fehlender Schriftform unwirksam. Die Signatur sei mangelhaft. Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 226 – 228 Rückseite d. A.).
Gegen dieses dem Beklagten am 14. Oktober 2010 zugestellte Urteil ...