Leitsatz (amtlich)

Die pfändende Zollbehörde muß eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts herbeiführen, wenn die Pfändung außerhalb der von § 850 c ZPO gezogenen Grenzen erfolgen soll.

 

Normenkette

AO § 319; ZPO § 850 f Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 06.10.1987; Aktenzeichen 4 Ca 233/87)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 06.10.1987 – 4 Ca 233/87 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin

Das Rechtsmittel der Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin hat gegen den Streitverkündeten eine vollstreckbare Steuer- und Zinsforderung in Höhe von etwa 159.572,45 DM, die sich durch Säumniszuschläge noch erhöht (s. Bl. 17, 22– 25, 46–57 d.A.). Die Forderung beruht auf fortgesetzter Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei; wegen dieser wahlweise festgestellten Straftaten ist der Schuldner unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden (s. Bl. 5– 9 d.A.). Er ist bei der Beklagten angestellt. Aus gesundheitlichen Gründen kann er nur 6 Stunden täglich arbeiten. Sein monatlicher Nettoverdienst beträgt 1.374,75 DM. Bei einer unterhaltsberechtigten Person sind hiervon 134,– DM pfändbar (s. Bl. 14, 28, 29 d.A.). In Höhe dieses Betrages hat der Streitverkündete seinen Gehaltsanspruch im Jahre 1980 an die Beklagte abgetreten, um ein von dieser gewährtes Darlehen in Höhe von 38.600,– DM abzutragen. Zur Rückführung eines weiteren, dem Streitverkündeten von seiner Tochter gezahlten Darlehens von 50.000,– DM hat er seine Gehaltsansprüche am 3.3.1986 in Höhe von 485,– DM monatlich an diese abgetreten. Wegen weiterer Zahlungsverpflichtungen des Streitverkündeten wird auf Bl. 30 d.A. Bezug genommen.

Durch Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 8.9.1982 (s. Bl. 4, 4 R d.A.) pfändete die Klägerin unter Beachtung der Pfändungsgrenzen des § 850 c ZPO den Anspruch des Streitverkündeten auf Arbeitsvergütung. Angesichts der Abtretungen von 1980 und 1986 blieb diese Pfändung bislang ohne Erfolg. Deshalb brachte die Klägerin unter dem 16.1.1987 eine weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügung aus, die den „weiteren” pfändbaren Betrag unter Hinweis auf § 850 f Abs. 2 ZPO auf 500,– DM monatlich festsetzte und der Beklagten am 21.1.1987 zugestellt wurde (s. Bl. 15, 16 d.A.). Dem Streitverkündeten wurde dies durch den mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid vom 2.2.1987 (s. Bl. 17, 38–40 d.A.) zur Kenntnis gegeben. Gegen diesen Bescheid hat sich der Streitverkündete nicht zur Wehr gesetzt.

Da die Beklagte weiterhin keine Zahlungen an die Klägerin leistete, hat diese ab Februar 1987 500,– DM monatlich eingeklagt (s. Bl. 2, 41, 42 d.A.). Dabei ist sie von der rechtlichen Wirksamkeit ihrer Pfändungsverfügung vom 16.1.1987 ausgegangen (vgl. dazu Bl. 41–44 d.A.) und hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, 4.500,– DM nebst Zinsen sofort an die Klägerin zu zahlen.
  2. Die Beklagte zu verurteilen, ab November 1987 monatlich 500,– DM bis zur Erfüllung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Januar 1987 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Klägerin dürfe sich nicht selbst von Pfändungsbeschränkungen und Pfändungsverboten befreien. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16.1.1987 sei daher ohne Rechtsgrundlage ergangen und ohne rechtliche Wirkungen geblieben. Hinsichtlich der Einzelheiten der rechtlichen Ausführungen der Beklagten wird auf Bl. 35–37 d.A. Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Bezüglich des Inhaltes des der Beklagten am 15.10.1987 zugestellten Urteiles (Bl. 72 d.A.) wird auf Bl. 66–70 d.A. verwiesen. Mit ihrer am 6.11.1987 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen (s. Bl. 74 d.A.), am Montag, dem 7.12.1987 begründeten Berufung (s. Bl. 80–83 d.A.), legt die Beklagte dar, daß das angefochtene Urteil schon deshalb keinen Bestand haben könne, weil es unter Berücksichtigung aller sonstigen Zahlungspflichten des Streitverkündeten zur Folge habe, daß diesem für seinen eigenen Unterhalt bei gesetzestreuem Verhalten lediglich ein Betrag verbleibe, der unterhalb des Existenzminimums liege (s. Bl. 80, 81 d.A.). Abgesehen davon bleibt die Beklagte dabei, daß die Pfändungsverfügung vom 16.1.1987 rechtlich unbeachtlich sei, weil sie den Gerichtsvorbehalt des § 850 f Abs. 2 ZPO nicht beachtet habe (s. Bl. 82, 83 d.A.).

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit den aus Bl. 88–90 d.A. ersichtlichen Gründen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Denn die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16.1.1987 ist ohne Rechtsgrundlage ergangen und daher nichtig. Hierauf darf sich die Beklagte als Drittschuldnerin im vorliegenden Rechtsstreit berufen, obwohl die Pfändungs- und Einziehungsverfügung im Verhältnis...

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