Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösungsantrag. Ähnlicher leitender Angestellter
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein leitender Angestellter i.S.v. § 14 Abs. 2 KSchG muss kraft seiner Funktion für Bestand und Entwicklung des Betriebs Aufgaben mit besonderer Bedeutung wahrnehmen, d.h. unternehmerische Teilaufgaben. Er muss maßgeblichen Einfluss auf die technische, kaufmännische, personelle oder wirtschaftliche Führung des Unternehmens oder eines Betriebs ausüben. Voraussetzung für das Bestehen der Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis nach dieser Vorschrift ist, dass sie einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmacht, im Innen- und Außenverhältnis besteht und eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern erfasst.
2. Sieht ein Arbeitsvertrag ausdrücklich die Unterstellung unter eine höhere hierarchische Ebene vor und ist die Festlegung von Aufgabeninhalten und -zielen ausdrücklich in Übereinkunft mit dem Vorgesetzten zu treffen, so sind damit Entscheidungsspielräume bei der Wahrnehmung unternehmerischer Teilaufgaben ausgeschlossen.
3. Das Berufungsgericht ist berechtigt, seine Entscheidung auch auf Umstände zu stützen, ohne der Partei erneut Gelegenheit zu schriftsätzlicher Stellungnahme zu geben, wenn es sich nicht um Gesichtspunkte i.S.v. § 139 Abs. 2 ZPO handelt, die die Partei erkennbar übersehen hatte, sondern um solche Umstände, zu denen in erster und zweiter Instanz schriftsätzlich ausführlich Stellung genommen wurde und die erkennbar entscheidungserheblich sein konnten. Dass das Berufungsgericht bei der Ausübung des bestehenden Beurteilungsspielraums zu einem anderen Ergebnis als das Arbeitsgericht kommt, zwingt nicht zu einem vorangehenden Hinweis gem. § 139 ZPO.
Normenkette
KSchG § 14 Abs. 2, § 9 Abs. 1 S. 2; ZPO § 139 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Fulda (Urteil vom 24.07.2003; Aktenzeichen 3/2 Ca 333/01) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Fulda vom 24.07.2003 – 3/2 Ca 333/01 – teilweise abgeändert.
Der Auflösungsantrag der Beklagten wird abgewiesen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 97.057,53 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 8.088,13 Euro seit dem 01.09.2001, seit dem 01.10.2001, seit dem 01.11.2001, seit dem 01.12.2001, seit dem 01.01.2002, seit dem 01.02.2002, seit dem 01.03.2002, seit dem 01.04.2002, seit dem 01.05.2002, seit dem 01.06.2002, seit dem 01.07.2002 und seit dem 01.08.2002 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zur Unwirksamkeit der Kündigung vom 15.06.2001 zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte insgesamt zu zahlen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch über einen Auflösungsantrag der Arbeitgeberin, Zahlungsansprüche des Klägers aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs sowie sein Weiterbeschäftigungsbegehren.
Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Textilindustrie, die an mehr als 20 weiteren Unternehmungen beteiligt ist, seit dem 01.09.2000 als „Leiter Beteiligungen” beschäftigt. Mit Wirkung vom 13.11.2000 wurde er zugleich Mitgeschäftsführer einer dieser Tochtergesellschaften, der M. GmbH. Mit Schreiben vom 15.06.2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgemäß zum 15. Juli 2001, später korrigiert auf den 31.07.2001. Zur Begründung dieser Kündigung hat sich die Beklagte zum einen darauf berufen, der Kläger habe im Zusammenhang mit der privaten Nutzung eines Firmenwagens einen Wohnsitzwechsel nicht mitgeteilt und damit bewirkt, dass für ihn zu geringe Lohnsteuerbeträge abgeführt worden seien. Zum anderen hat die Beklagte behauptet, der Kläger habe ein ihm überlassenes Notebook unterschlagen. Jedenfalls hat die Beklagte gemeint, dass der Kläger leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG sei, so dass einem Auflösungsantrag ohne Begründung stattzugeben sei. Hilfsweise hat sie sich als Auflösungsgrund insbesondere auf den Verdacht der Unterschlagung des Notebooks und die übrigen Kündigungsgründe berufen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug sowie der dort gestalten Anträge gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (S. 2–13 des Urteils, Bl. 662–673 d.A.).
Mit diesem am 24.07.2003 verkündeten Schlussurteil hat das Arbeitsgericht Fulda – 3/2 Ca 333/01 – festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von EUR 8.088,13 zum 31.07.2001 aufgelöst und die Beklagte zur Zahlung restlicher Vergütung für den Monat Juli 2001 in Höhe von EUR 4.829,11 brutto nebst Zinsen v...