Entscheidungsstichwort (Thema)

Betrieblicher Geltungsbereich der Bau-Tarifverträge

 

Leitsatz (amtlich)

1) Für die Feststellung ob ein Betrieb ein solcher des Baugewerbes ist, ist die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer des Betriebes Grundlage (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts). Die Tätigkeit des Arbeitgebers hat daher außer Betracht zu bleiben.

2) Übt der einzige Arbeitnehmer des Betriebes überwiegend kaufmännische Tätigkeit aus, handelt es sich nicht um einen Betrieb des Baugewerbes, da kaufmännische Tätigkeit weder in § 1 Abs. 2 Abschn. IV und V VTV aufgeführt ist noch sie gem. § 1 Abs. 2 Abschn. I–III VTV mit den Methoden und Arbeitsmitteln des Baugewerbes ausgeführt wird.

 

Normenkette

TVG § 5 Abs. 4, § 4 Abs. 1-2, § 3 Abs. 1; VTV-Bau § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 17.08.1988; Aktenzeichen 6 Ca 1494/88)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 17. August 1988 – 6 Ca 1494/88 – abgeändert:

Die Versäumnisurteile vom 13. Mai 1988 (6 Ca 1494/88) und vom 27. Mai 1988 (6 Ca 1850/88 und 6 Ca 2036/88) werden aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten in den Terminen vom 13. Mai 1988 und 27. Mai 1988 entstandenen Kosten; diese werden der Beklagten auferlegt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten vor dem Hintergrund einer Auseinandersetzung über den Geltungsbereich der Bau-Tarifverträge um einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen für Angestellte für die Zeit von Januar bis November 1987 und auf Auskunftserteilung und Zahlung einer Entschädigung für den Fall der nicht fristgerechten Erteilung für die Monate November 1984 bis Dezember 1985 und von Dezember 1987 bis Februar 1988.

Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge der baugewerblichen Arbeitgeber in der Bundesrepublik Deutschland zu den Sozialkassen des Baugewerbes. In den Klagezeiträumen waren alle baugewerblichen Arbeitgeber verpflichtet, der Klägerin auf von dieser zur Verfügung gestellten Vordrucken nach einem tarifvertraglich im einzelnen näherer geregeltem Verfahren Auskunft zu erteilen über die am Ende eines jeden Monats beschäftigten technischen und kaufmännischen Angestellten, Poliere und Schachtmeister und der für diese zu zahlenden Beiträge. Diese Verpflichtung richtete sich im Jahre 1984 nach §§ 1 und 2 Abschn. II Nr. 2 Tarifvertrag über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für technische und kaufmännische Angestellte sowie für Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes vom 30. Oktober 1975 i.d.F. vom 19. Dezember 1983 (Verfahrenstarifvertrag Angestellte, VTV-Ang); in den Monaten Dezember 1987 bis Februar 1988 nach § 27 Abs. 1 Buchst. c und e des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 (Verfahrenstarifvertrag, VTV). Zudem hatten die baugewerblichen Arbeitgeber für jeden dieser Angestellten ab Januar 1987 gen. § 25 Abs. 1 VTV monatlich 26,– DM und gem. § 25 Abs. 2 i.V.m. § 17 Abs. 2 des Tarifvertrages über das Verfahren für den Vorruhestand im Baugewerbe (TV Vorruhestandsverfahren, VTV-VR) von 12. Dezember 1984 i.d.F. vom 12. November 1986 6,3 v. H. der Bruttogehaltssumme an die Klägerin zu entrichten. Diese Tarifverträge waren in den Klagezeiträumen für allgemeinverbindlich erklärt. Die Beklagte führte in den Kalenderjahren 1984 und 1985 sowie 1987 und 1988 in ihrem handwerksähnlichen Betrieb des Baugewerbes Verfügungsarbeiten in der Weise aus, daß sie selbst die Fugen säuberte und vorbereitete, während der bei ihr als Arbeitnehmer beschäftigte Ehemann, der der zuständigen Allgemeinen Ortskrankenkasse als Meister gemeldet, aber – wie sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht herausgestellt hat – kein solcher i.S. der Handwerksordnung war, die Fugen schloß, aber zu 75 v. H. der Arbeitszeit kaufmännische Arbeiten verrichtete. Die Beklagte führte in den Klagezeiträumen im Briefkopf die Bezeichnung „Bauabdichtung und Fugentechnik” (Bl. 13 der Beiakte 6 Ca 6038/86 Arbeitsgericht Wiesbaden). In den Rechtsstreit der Parteien 6 Ca 6038/86 Arbeitsgericht Wiesbaden wies das Arbeitsgericht die Klage der Klägerin auf Zahlung – von Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer für die Zeit von Januar 1985 bis August 1986 mit rechtskräftigem Urteil vom 12. August 1987 ab, weil die Beklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (Vernehmungsniederschrift Bl. 23 und 23 R und 27 sowie 28 der Beiakte) in jenem Zeitraum nur Angestellte beschäftigt habe (Bl. 36–39 der Beiakten).

Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, der Ehemann der Beklagten sei kein leitender Angestellter gewesen, und hat ursprünglich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.431,70 DM zu zahlen.

Nachdem in dem Termin an 13. Mai 1988 für die Beklagte niemand erschienen war, erließ das Arbeitsgericht Wiesbaden antragsgemäß Ve...

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