Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Invalidenrente bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Auflösung des Arbeitsverhältnisses als Anspruchsvoraussetzung für den Bezug einer Invalidenrente ist keine unangemessene Benachteiligung
Leitsatz (redaktionell)
Klauseln in Versorgungsrichtlinien sind umfassend zu prüfen. Bei der Unangemessenheit ist ein generalisierender Maßstab anzulegen.
Normenkette
BetrAVG § 1; BGB § 307 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 01.03.2018; Aktenzeichen 4 Ca 936/17) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 01. März 2018 - 4 Ca 936/17 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Zahlung einer Invalidenrente.
Der am 07. Juni 1961 geborene Kläger trat am 01. August 1996 bei der A ein. Diese erteilte ihm am 07. Mai 1987 eine Versorgungszusage über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Invaliditäts-, Alters,- oder Hinterbliebenen-versorgung). Die Versorgungszusage bestimmt unter anderem, dass im Falle der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit der Kläger eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente von DM 150,00 erhält. Die zugrundeliegenden Versorgungsrichtlinien bestimmen für die Invaliditätsrente folgendes:
„Berufsunfähigkeitsrente bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente erhält der Versorgungsberechtigte, der berufsunfähig, bzw. erwerbsunfähig im Sinne der Arbeiterrenten- bzw. Angestelltenversicherung (§ 1246 Abs. 2 RVO bzw. § 1247 Abs. 2 RVO; § 23 Abs. 2 AVG bzw. § 24 Abs. 2 AVG) ist, nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit.
Die Feststellungen der Arbeiterrenten bzw. Angestelltenrentenversicherung sind maßgebend.“
Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Versorgungszusage wird auf Bl. 10 d. A. und hinsichtlich des weiteren Inhalts der Versorgungsrichtlinie auf Bl. 25 d. A. Bezug genommen.
Der Kläger bezieht seit dem 01. Juni 2017 eine, zunächst auf 3 Jahre befristete Erwerbsminderungsrente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung der Invalidenrente für den Zeitraum von Juni bis November 2017 sowie die Feststellung, dass die Beklagte ihm auch darüber hinaus für die Dauer des Bezugs der befristeten Erwerbsminderungsrente zur Zahlung der betrieblichen Invalidenrente verpflichtet ist. Er hat die Ansicht vertreten, dass die Auslegung der Versorgungsrichtlinie ergebe, dass ihm die Rente zu zahlen sei. Unter Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei nicht automatisch die Vollbeendigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen. Die Regelung sei vielmehr dahingehend auszulegen, dass auch ein Ausscheiden aus dem aktuellen Beschäftigungsverhältnisses in Folge des Ruhens der wechselseitigen Hauptpflichten genüge. Sofern unter Auflösung die Vollbeendigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen sei, sei eine entsprechende Klausel unwirksam, da sie einer AGB-Kontrolle gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht standhalte. Weiterhin würde eine solche Regelung gegen den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.
Die Beklagte hat demgegenüber die Ansicht vertreten, dass dem Kläger kein Anspruch auf eine Invalidenrente zustehe, solange das Arbeitsverhältnis nicht beendet sei. Dies ergebe sich aus dem klaren Wortlaut der Versorgungszusage. Dieser setze die Auflösung des Arbeitsverhältnisses voraus. Der klare und unzweideutige Wortlaut stehe einer anderweitigen Auslegung entgegen. Auch der Gesamtzusammenhang spreche dafür, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisanspruches Voraussetzung sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Kläger habe gegen die Beklagte aus der Versorgungszusage und den Versorgungsrichtlinien vom 07. Mai 1987 keinen Anspruch auf Invalidenrente. Anspruchsvoraussetzung sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Versorgungsrichtlinien seien insoweit entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht unwirksam. Die Regelung halte einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB stand und verstoße auch nicht gegen den Allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, der dort gestellten Anträge sowie der Erwägungen des Arbeitsgerichtes im Einzelnen wird auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes hat der Kläger innerhalb der zu Protokoll der Berufungsverhandlung vom 23. Januar 2019 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt. Der Kläger meint, soweit das Arbeitsgericht in den Urteilsgründen zu dem Ergebnis komme, dass die als Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegende Versorgungsrichtlinie bereits nach dem eindeutigen Wortlaut eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetze, so werde dieser Auslegung widersprochen. Die Parteien hätten eb...