Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungs- und Beweislast bei Einstellungsanspruch. Dokumentationsgebot. sekundäre Darlegungslast. Vereitelung effektiven Rechtsschutzes
Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich obliegt dem Bewerber, der einen Einstellungsanspruch geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er bei rechtsfehlerfreier Behandlung seiner Bewerbung voraussichtlich zum Zug genommen wäre. Die Darlegungslast ist jedoch durch eine aus § 138 Abs. 1 und 2 ZPO folgende Mitwirkungspflicht des Gegners gemindert, wenn es um Geschehnisse aus dem Bereich der anderen Partei geht. In diesen Fällen trägt der Gegner der primär behauptungs- und beweisbelasteten Partei eine sekundäre Behauptungslast. Kommt der sekundär Darlegungspflichtige in einer solchen Prozesslage seiner Vortragslast nicht nach, gilt die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen iSd. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Diese Grundsätze gelten unter Berücksichtigung des Gebots des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG auch für Auswahlentscheidungen nach Art. 33 Abs. 2 GG. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes trägt die sekundäre Darlegungslast für alle Vorgänge aus seinem Verantwortungs- und Verfügungsbereich, die dem Einblick des Bewerbers entzogen sind.
Verstößt ein öffentlicher Arbeitgeber gegen das Dokumentationsgebot, führt das dazu, dass er für die nicht dokumentierten Umstände des Auswahlverfahrens die sekundäre Darlegungslast trägt.
2. Der Anspruch des Bewerbers nach Art. 33 Abs. 2 GG auf Übertragung der ausgeschriebenen Stelle setzt voraus, dass diese noch nicht besetzt ist. Ist eine mit dem Amt verbundene Stelle rechtlich verbindlich anderweitig vergeben, kann das Amt nicht mehr besetzt werden. Dann ist der subjektive Anspruch des Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG erschöpft. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn der öffentlich-rechtliche Dienstherr den effektiven Rechtsschutz des Bewerbers verhindert oder wenn ein öffentlicher Arbeitgeber und ein eingestellter Bewerber kollusiv zusammenwirken.
Verletzt der öffentliche Arbeitgeber im Auswahlverfahren das Dokumentationsgebot, sodass der Bewerber keine oder nur unzureichende Kenntnisse über die Entscheidungsgrundlagen hat, vereitelt er die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2; AGG § 15; ZPO § 138 Abs. 1-3; GG Art. 19 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 29.10.2008; Aktenzeichen 3 Ca 1294/08) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. Oktober 2008 – 3 Ca 1294/08 – teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, mit dem Kläger ein auf 12 Monate befristetes Arbeitsverhältnis entsprechend den Vertragsbedingungen des Herrn C mit einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 6 TVöD abzuschließen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages, hilfsweise auf Schadensersatz, und einen Anspruch auf Entschädigung wegen Diskriminierung hat.
Der Kläger ist am xx.xx.xx geboren. Mit Bescheid des Versorgungsamts C vom 17. September 2003 wurde beim Kläger ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt. Mit Schreiben vom 04. September 2007 teilte das Versorgungsamt mit, dass beabsichtigt sei, wegen einer wesentlichen Besserung den Grad der Behinderung auf 30 herabzusetzen, was im Anschluss daran erfolgte. Der Kläger verfügt über einen Abschluss als Grafikdesigner und einen Hochschulabschluss in Erziehungswissenschaften mit den Nebenfächern Kunst und Soziologie. Nach seinem Studium arbeitete der Kläger als freier Mitarbeiter an der D für politische Bildung, als freiberuflicher Erzieher und Kunsterzieher in einem Kinderhort und als Grafiker. Von Juni 1991 bis Juni 1993 war der Kläger als pädagogischer Mitarbeiter der Volkshochschule C beschäftigt. Seit Juli 1993 war der Kläger als freier Mitarbeiter und Honorarkraft in verschiedenen Bildungseinrichtungen tätig, vorwiegend als Dozent an der Volkshochschule. Ab dem 07. November 2005 wurde der Kläger von der Beklagten im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit als sog. „1-Euro-Jobber” aufgrund der Eingliederungsvereinbarung vom 04. November 2005 (Bl. 15 f. d.A.) im X-archiv eingesetzt. Nach dem Ausscheiden des damaligen Leiters des X-archivs im April 2006 war der Kläger zunächst der einzige Mitarbeiter im X-archiv. Zum 01. Juni 2006 nahm der am 26. Januar 1953 geborene Herr A ebenfalls im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit gem. § 16 Abs. 3 SGB II seine Tätigkeit im X-archiv auf. Der Kläger und Herr A hatten die alleinigen Zugangsrechte für den Computer, die Datenbestände und die Datenbank. Am 24. und 25. Juli 2006 erhielten sowohl der Kläger als auch Herr A eine Grundschulung und eine Administratorenschulung für das Programm E.
Am 06. Juli 2006 forderte die Beklagte den Kläger au...