Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsgegenklage
Leitsatz (amtlich)
1. Nimmt der Beklagte bei einer Verurteilung nach § 61 Abs. 2 ArbGG nach Ablauf der im Urteil gesetzten Frist aber vor Rechtskraft des Urteils die ausgeurteilte (nicht vollstreckbare) Handlung vor, so wird damit dem bis zur Rechtskraft vorläufig vollstreckbaren Entschädigungsanspruch die materiellrechtliche Grundlage entzogen.
2. Eine derartig „verspätete” Vornahme der ausgeurteilten Handlung kann der Beklagte im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO der Vollstreckung des Entschädigungsbetrages in den Grenzen des § 767 Abs. 2 ZPO erfolgreich entgegenhalten.
Normenkette
ZPO § 767; ArbGG § 61 Abs. 2; BGB § 362
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 27.02.1991; Aktenzeichen 3 Ca 1759/90) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 27. Februar 1991 – 3 Ca 1759/90 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem mittlerweile rechtskräftigen Versäumnis-Urteil.
Der Beklagte, eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, der aufgrund tarifvertraglicher Regelung die Einzugstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes ist, erwirkte am 6.6.1988 vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden (3 Ca 1469/88) gegen den Kläger ein Versäumnis-Urteil, wonach dieser verurteilt würde,
„dem Kläger (jetziger Beklagter) auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
1.1 wieviel Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Rechtsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben, in den Monaten
Januar bis Juli 1985
in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die Bruttolohnsumme des gesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen des Baugewerbes in den genannten Monaten angefallen sind,
für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:
DM 39.200,–.”
Hinsichtlich des genauen Inhalts des Versäumnis-Urteils wird auf Blatt 6 der Beiakten 15 Sa 1413/88 Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main = 3 Ca 1469/88 Arbeitsgericht Wiesbaden Bezug genommen.
Nachdem der Kläger gegen dieses ihm am 16.6.1988 zugestellte Versäumnis-Urteil fristgerecht Einspruch eingelegt und das Arbeitsgericht Wiesbaden mit Urteil vom 7.9.1988 sein vorbezeichnetes Versäumnis-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen hatte, änderte das LAG Frankfurt am Main auf die Berufung des Beklagten durch Urteil vom 15.9.1988 (Az.: 15 Sa 1413/88) das Urteil des Arbeitsgerichts vom 7.9.1988 ab und hielt dessen Versäumnis-Urteil vom 6.6.1988 aufrecht. Die Revision wurde vom LAG nicht zugelassen. Hinsichtlich des genauen Urteils-Inhalts wird auf Blatt 90 bis 99 der Beiakten (BA) Bezug genommen. Das Urteil des LAG Frankfurt am Main wurde dem Prozeß-Bevollmächtigten des Klägers und damaligen Beklagten am 27.11.1989 zugestellt, nachdem dem Beklagten und damaligen Kläger Ende September 1989 eine abgekürzte Urteils-Ausfertigung des Berufungsurteils erteilt worden war.
Unter dem 19.12.1989 sandte der Prozeß-Bevollmächtigte des Klägers dem Prozeß-Bevollmächtigten des Beklagten, bei letzterem am 22.12.1989 eingegangen, ein Schreiben (Blatt 11 d.A.), indem es u.a. heißt, daß „hier neben die gewünschte Auskunft, welche wir gleichzeitig als Anmeldung von Urlaubsgeldansprüchen verstanden wissen wollen”, überreicht werde. Dem Schreiben beigefügt war ein an den Beklagten adressiertes Schreiben des Steuerberaters des Klägers vom 18.12.1989, in dem die in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1985 beschäftigten Arbeitnehmer namentlich mit Geburtsdatum angegeben und ferner den einzelnen Arbeitnehmerin zugeordnete Geldbeträge aufgeführt sind. Hinsichtlich des genauen Inhalts dieses Schreibens mit Datum vom 18.12.1989 wird auf Blatt 94 d.A. Bezug genommen. Das Schreiben vom 19.12.1989 nebst vorgenannter Anlage reichte der Prozeß-Bevollmächtigte des Beklagten an den Beklagten weiter, bei dem es am 27.12.1989 einging.
Mit seiner Klage macht der Kläger, demgegenüber der Beklagte weiterhin die Zwangsvollstreckung aus dem im Versäumnis-Urteil vom 6.6.1988 titulierten Entschädigungsbetrag zu betreiben versucht, geltend, die Zwangsvollstreckung sei unzulässig.
Der Kläger hat vorgetragen, weil er die im Versäumnis-Urteil vom 6.6.1988 genannten Auskünfte erteilt habe, sei die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnis-Urteil unzulässig.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnis-Urteil des Arbeitsgericht Wiesbaden vom 6.6.1988 (3 Ca 1469/88) unzulässig ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe die fraglichen Auskünfte spätestens innerhalb von 6 Wochen nach Zugang der abgekürzten Ausfertigung des landesarbeitsger...