Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines Aufhebungsvertrages wegen Ankündigung einer fristlosen Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der Prüfung, ob ein verständiger Arbeitgeber eine fristlose Kündigung in Erwägung ziehen und deshalb eine solche gegenüber dem Arbeitnehmer in Aussicht stellen durfte, kommt auch der Verdacht, der Arbeitnehmer habe Gefälligkeitsatteste überreicht, in Betracht.

2. Hierbei kommt es darauf an, wie ein verständiger Arbeitgeber zur Zeit der Verhandlung, die zum Abschluß des Aufhebungsvertrages führt, die Rechts- und Sachlage angesehen hat. Ein Nachschieben von zeitlich späteren Umständen, die den Verdacht verstärken können, ist unzulässig (gegen BAG AP 13 zu § 626 BGB Verdacht strafb. Handlung).

 

Normenkette

BGB §§ 119, 305

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.07.1985; Aktenzeichen 16 Ca 32/85)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 30.07.1985 – AZ 16 Ca 1206/85 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die 49 Jahre alte Klägerin, verheiratet, unterhaltspflichtig für zwei Kinder, ist bei der Beklagten seit 22.8.1977 beschäftigt. Ihre Arbeitszeit als Reinigungskraft beträgt 7,5 Stunden täglich und begann nachmittags. Der monatliche Bruttoverdienst betrug zuletzt 1.446,46 DM. Als Nebentätigkeit führte die Klägerin zweimal in der Woche Reinigungsarbeiten in dem Optiker-Geschäft K. in B. durch.

Am 14.12.1984 teilte die Klägerin ihrem Vorgesetzten mit, daß sie bei den Reinigungsarbeiten innerhalb des Betriebes gestürzt sei. Der Vorgesetzte der Klägerin erstattete eine Unfallmeldung nach Angaben der Klägerin. Bei der Beklagten gingen danach Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die als Folgebescheinigungen am 21.12. und 27.12.1984 und 7.1.1985 ausgestellt waren, für die Zeit bis einschließlich 11.1.1985 ein. Eine fernmündliche Auskunft der Beklagten bei der AOK ergab, daß die Klägerin ab 14.12.1984 arbeitsunfähig war. Die Beklagte zahlte an die Klägerin Lohnfortzahlung für die Zeit ab 14.12.1984.

Am 9.1.1985 erhielt die Beklagte die Information, daß die Klägerin am 8.1.1985 bei der Firma K. Putzarbeiten ausgeführt hatte. Am 10.1.1985 fand auf Wunsch der Beklagten ein Gespräch mit der Klägerin statt, in welchem diese einräumte, am 8.1.1985 bei der Firma K. geputzt zu haben. Die Vertreter der Beklagten eröffneten der Klägerin, daß für dieses Verhalten eine fristlose Kündigung angestrebt werde. Desweiteren wurde der Klägerin mitgeteilt, daß sich die Beklagte vorbehalte, die bereits gezahlten Lohnfortzahlungsbeträge für die gesamte Zeit zurückzufordern. Daraufhin wurde der Klägerin der Vorschlag unterbreitet, das Arbeitsverhältnis aufzulösen und der Klägerin wurde ein entsprechender Textentwurf vorgelegt. Am selben Tage noch führte die Klägerin ein Gespräch unter vier Augen mit der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Frau B.-J., die auch während des Gesprächs mit den Vertretern der Beklagten anwesend war. Am 11.1.1985 erschien die Klägerin wieder im Betrieb und unterzeichnete die Aufhebungsvereinbarung. Auf den Inhalt der Vereinbarung (vgl. Bl. 10 d.A.) wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 17.1.1985 ihres Prozeßbevollmächtigten, auf dessen Inhalt (vgl. Bl. 6 d.A.) Bezug genommen wird, focht die Klägerin ihre Willenserklärung zum Abschluß des Aufhebungsvertrages an.

Mit Schreiben vom 23.1.1985, auf dessen Inhalt (vgl. Bl. 48 d.A.) Bezug genommen wird, unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über eine beabsichtigte Kündigung der Klägerin. Mit Schreiben vom 24.1.1985 (vgl. Bl. 50 d.A.) stimmte der Betriebsrat einer fristlosen als auch einer ordentlichen Kündigung der Klägerin zu. Mit Schreiben vom 24.1.1985 (vgl. Bl. 28 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich ordentlich zum 10.2.1985.

Mit der Klage wehrt sich die Klägerin gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag als auch durch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte habe am 10.1.1985 erklärt, wenn sie unterschreibe, könne sie das Weihnachtsgeld behalten. Sie habe sich daher hinsichtlich der Regelung über eine Weihnachtsgratifikation in einem Erklärungsirrtum befunden. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe keinen Anlaß gehabt, am 10.1.1985 eine fristlose Kündigung anzudrohen. Im Januar hätten sich ihre Schmerzen gebessert. Sie habe daher beschlossen, am 8.1.1985 ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Sie habe bei der Fa. K. eine Stunde geputzt und dabei festgestellt, daß sie gesundheitlich doch nicht in der Lage war, vollschichtig zu arbeiten. Durch die einstündige Arbeit bei der Fa. K. sei der Heilungsprozeß nicht gestört worden (Beweis; Dr. S. u. Dr. A. als Zeugen). Da das Arbeitsverhältnis fortbestehe sei die Beklagte zur Zahlung des Arbeitsentgelts verpflichtet. Sie – die Klägerin – habe ihre Arbeitsleistung angeboten (Beweis: Brunetti als Zeugin).

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, daß das zwischen den...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?