Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerrechtlichkeit der Drohung mit Kündigung des Dienstverhältnisses durch den Dienstverpflichteten bei unklarer rechtlicher Einordnung
Leitsatz (amtlich)
Geht der Dienstnehmer/ Arbeitgeber gut vertretbar davon aus, es handele sich um ein freies Dienstverhältnis (offengelassen), das die Parteien im Rahmen eines Aufhebungsvertrags aufheben, ist dies bei der Beurteilung, ob dieser Aufhebungsvertrag vom Dienstverpflichteten/ Arbeitnehmer wegen der Drohung mit einer Kündigung nach § 626 BGB wirksam nach § 123 BGB angefochten wurde, zu berücksichtigen. Entscheidend für die Frage der Widerrechtlichkeit der Drohung ist, ob ein verständiger Vertragspartner eine solche Kündigung in Erwägung ziehen durfte. Die Anforderung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses sind insofern im Hinblick auf das Fehlen der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht geringer als im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses.
Normenkette
BGB §§ 123, 611
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.07.2014; Aktenzeichen 11 Ca 1119/14) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 03. Juli 2014 - 11 Ca 1119/14 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis bestand und ob dieses durch Aufhebungsvertrag oder außerordentliche Kündigung der Beklagten beendet worden ist.
Der am xx. xx 1976 geborene ledige Kläger ist seit dem Jahr 2005 bei dem Beklagten, einem Rundfunksender in der Rechtsform der Anstalt öffentlichen Rechts, als Radiomoderator beschäftigt und als solcher bei dem Jugendsender A tätig. Bis zum 23. Januar 2015 moderierte er von montags bis freitags eine "Morningshow" sowie samstags von 17:00 Uhr bis 21:00 Uhr die "Partybeats".
Ein schriftlicher Vertrag über diese Tätigkeit existiert zwischen den Parteien nicht, die durchschnittliche Vergütung des Klägers betrug 12.000,00 EUR brutto. Der Kläger stellte dem Beklagten insoweit Rechnungen, mit denen er für die Morgensendungen ein Honorar von jeweils 544,00 EUR und für die Samstagssendungen ein Honorar in Höhe von 447,00 EUR geltend machte. Mit Bescheinigung vom 9. August 2005 bestätigte das Finanzamt Berlin-Zehlendorf, dass Honorareinnahmen des Klägers als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit im Sinne des § 18 e EStG gewertet würden. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bestätigte dem Kläger ebenfalls, dass die von ihm ausgeübte Tätigkeit als selbstständige nicht versicherungspflichtige Tätigkeit zu werten sei (Bl. 96 d.A.). Diese Bescheinigung legte der Kläger dem Beklagten vor, der ihm seine Vergütung daraufhin ohne Abzug von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung auszahlte.
Unter dem 28. Juni 2013 versendete der Kläger an den Programmmanager des Beklagten Herrn B eine E-Mail, die auszugsweise lautet:
"Erstens kann ich als selbstständiger Mitarbeiter wenig mit den Worten "verbieten" und "erlauben" anfangen, da ich nicht weisungsgebunden bin. Das ist sehr wichtig für die künstlerische Freiheit meiner Tätigkeit und für die weitere Zusammenarbeit mit dem C. (...)"
Der Beklagte versendete an den Kläger Einsatzpläne für Moderatoren, die einen Vermerk enthielten, dass dies Angebote an die freien Mitarbeiter seien, eine Annahme der Moderation explizit erklärt werden müsse und im Falle einer Nichtannahme die Tätigkeit anderweitig angeboten werde (Bl. 104 d.A.).
Hinsichtlich der vom Kläger moderierten Sendung fanden am Vortag der Moderation Vorgespräche statt. Seitens des Beklagten wurden sodann Skripte erstellt und an den Kläger übersendet (vgl. etwa das Skript für die Sendung vom 30.01.2013, Bl. 48 d.A.). Die während der Moderationen gespielte Musik wurde dem Kläger vorgegeben und nicht von diesem ausgesucht. Der Beklagte beschäftigt insoweit Spezialisten. Seinen Urlaub musste der Kläger mit dem Beklagten absprechen, wobei der Kläger insoweit seine Urlaubszeit mitteilte. Sinn der Absprachen war, dass der Beklagte möglichst frühzeitig erkannte, in welchen Zeiten der Kläger wegen von ihm selbst definierter Urlaubszeit eine Moderation nicht würde durchführen können, also diesbezügliche Tätigkeitsangebote nicht würde annehmen können und es deswegen erforderlich sein würde, alternative Moderatoren einzusetzen.
Der Kläger wurde in den Jahren 2005 bis 2009 auch für "D" tätig und im Jahr 2009 für das E. Seit dem Jahr 2013 ist der Kläger zusätzlich zu seiner Tätigkeit für den Beklagten für das kommerzielle Sendeunternehmen "F" tätig. Insoweit erklärte der Programmchef von A des Beklagten, Herr G, dem Kläger, für den Fall, dass das klägerische Engagement für Dritte erkennbar zu Beeinträchtigungen in der Qualität der Leistung des Klägers als Moderator bei dem Beklagten führen sollte, werde sich die Frage stellen, ob man weiter mit dem Kläger zusammenarbeiten könne.
Am 23. Januar 2014 führte die Staatsanwaltschaft Darmstadt in den Räumen des Beklagten eine Haus...