Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Widerrechtliche Drohung
Leitsatz (redaktionell)
Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist widerrechtlich im Sinne von § 123 BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Unerheblich ist insoweit, ob die in Aussicht gestellte Kündigung, wäre sie tatsächlich ausgesprochen worden, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte.
Normenkette
BGB §§ 123, 142 Abs. 1, § 626
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.08.2004; Aktenzeichen 15 Ca 12850/03) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom23. August 2004 – 15 Ca 12850/03 – wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um die Wirksamkeit eines zwischen ihnen geschlossenen Auflösungsvertrags und um Zahlungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.
Der am 3. März 1974 geborene Kläger arbeitete bei dem beklagten Land seit dem 1. Oktober 2000 als Angestellter der Wachpolizei im Polizeipräsidium Frankfurt am Main. Aufgrund vertraglicher Regelung bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. Der Kläger bezog zuletzt ein Gehalt von insgesamt EUR 2.292,07 brutto, wegen dessen Zusammensetzung auf die Aufstellung Bl. 76 d.A. Bezug genommen wird. Im Verlauf des Jahres 2003 kam es zu Differenzen zwischen den Parteien über die Erfüllung von Vertragspflichten seitens des Klägers. Nachdem der ehemalige Vermieter des Klägers bzw. dessen Lebensgefährtin sich zweimal über Mietrückstände des Klägers bei dessen Vorgesetztem beschwert hatten, wurde der Kläger am 24. Oktober 2003 zu einem Gespräch mit dem Vorgesetzten PHK G. und dessen Vertreter, PHK S. um 9.00 Uhr aufgefordert, dessen Verlauf zwischen den Parteien streitig ist. Der Kläger unterzeichnete an diesem Tag zunächst ein Schreiben, in dem er um die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses bat und sodann den von dem beklagen Land gestellten und von dem Leitenden Regierungsdirektor K. für das Polizeipräsidium Frankfurt am Main gegengezeichneten Auflösungsvertrag. Wegen beider Schriftstücke wird auf die Kopien Bl. 8 und 10 d.A. Bezug genommen. Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 27. Oktober 2003 gegenüber dem Polizeipräsidium Frankfurt am Main die Anfechtung dieses Vertrags (Bl. 14 d.A.).
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes, des Vertrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. August 2004 gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 80–84 d.A.).
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch Urteil vom 23. August 2004 der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Oktober 2003 hinaus fortbesteht und das beklagte Land verurteilt, an den Kläger im Wege des Annahmeverzugs Vergütung für die Monate November und Dezember 2003 in Höhe von EUR 4.584,14 brutto sowie die tariflichen Zuwendung für das Jahr 2003 in Höhe von EUR 1.971,79 brutto zu zahlen. Es hat genommen, der Kläger habe den Auflösungsvertrag wirksam wegen Drohung nach § 123 BGB angefochten. Diese Feststellung könne allein aufgrund des Vorbringens des beklagten Landes zum Verlauf der Ereignisse am 24. Oktober 2003 getroffen werden. Vom Empfängerhorizont des Klägers aus hätten sich die von dem beklagten Land behaupteten Äußerungen der Vorgesetzten G. und S. in dem Gespräch mit dem Kläger nur dahin gehend verstehen lassen, dass seine Vorgesetzten Maßnahmen einleiten würden, die zu einer außerordentlichen Kündigung führen sollten. Der Hinweis auf die Möglichkeit des Abschlusses eines Aufhebungsvertrags konnte nur so vom Kläger verstanden werden, dass es dann zu dem ihm vorher gegenüber ankündigten Schritt nicht kommen würde. Der notwendige subjektive Nötigungswillen in der Person des Erklärenden habe auch vorgelegen. Entscheidend sei, ob der Bedrohte bei seiner Willensbildung, also seinen Überlegungen, frei von Drohungen gewesen sei oder nicht. Unschädlich für die Bejahung einer Drohung sei die fehlende Kündigungsberechtigung der Vorgesetzten G. und S.r. Die notwendige Voraussetzung, dass sie den Ausspruch einer fristlosen Kündigung als in irgendeiner Weise von ihrer Macht abhängig dargestellt hätten, sei gegeben. Beide hätten nach dem Vorbringen des beklagten Landes erklärt, die Kündigungsgründe zusammen zu tragen und der Behördenleitung die außerordentliche Kündigung des Klägers empfehlen zu wollen. Dieser Erklärung immanent sei, dass sie Einflussmöglichkeiten auf die Behördenleitung suggeriere. Der Kläger habe von seinem Empfängerhorizont aus sie auf jeden Fall nicht dahingehend verstehen können, ...