Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Arbeitnehmers bei gefahrengeneigter Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zum gegenwärtigen Stand der Arbeitnehmer-Haftung bei gefahrengeneigter Arbeit, wenn dem Arbeitnehmer eine grob fahrlässige Unfallverursachung anzulasten und Anhaltspunkte für ein Mitverschulden des Arbeitgebers nicht ersichtlich sind.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Urteil vom 18.03.1987; Aktenzeichen 1 Ca 356/86)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.12.1989; Aktenzeichen 8 AZR 382/88)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Giessen vom 18.3.1987 – 1 Ca 356/86 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Es wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger unterhielt im Jahre 1985 in A. ein kleines, mit zwei Fahrzeugen betriebenes und inzwischen aufgegebenes Taxi- und Mietwagenunternehmen. In der Zeit vom 25.7. bis zum 4.8.1985 wurde der Beklagte, der seit Jahren im Wetteraukreis als Taxifahrer tätig war, bei ihm als Aushilfsfahrer beschäftigt; für diese Beschäftigungszeit belief sich der am Umsatz orientierte Verdienst des Beklagten auf insgesamt 407,78 DM netto.

In der Nacht vom 4.8.1985 kam es gegen 2.45 Uhr in der Gemarkung L. im Kreuzungsbereich der Landstraßen L 3189/L 3191 zu einem Kfz.-Unfall, bei dem der Beklagte als nicht vorfahrtsberechtigter Verkehrsteilnehmer – die von ihm befahrene Straße war mit dem Verkehrsschild Nr. 206 der StVO gekennzeichnet – mit einem von rechts kommenden Pkw-Fahrer kollidierte. Zu diesem Zeitpunkt war die Fahrbahn naß; die Örtlichkeit war dem Beklagten aufgrund seiner vorausgegangenen Taxifahrer-Tätigkeit bekannt.

Der Regierungspräsident in K. erließ daraufhin gegen den Beklagten einen Bußgeldbescheid, der ihn zur Zahlung von 130,– DM nebst Kosten verpflichtete; dieser Bußgeldbescheid erwuchs anschließend in Rechtskraft.

Das dem Kläger gehörige Fahrzeug der Marke Daimler-Benz 240 D (amtl. Kennzeichen: …) war nicht vollkaskoversichert und erlitt – gemäß dem überreichten Gutachten des Kfz.-Sachverständigen H. V. (Hülle Bl. 5 d.A.) – bei dem nächtlichen Verkehrsunfall Totalschaden. In dem Gutachten wurde der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs (ohne MWSt) mit 8.600,– DM und sein Restwert mit 700,– DM beziffert. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde noch am Unfalltage – insoweit einverständlich – beendet, nachdem sie sich über die Schadensregulierung nicht einig werden konnten.

Mit der vorliegenden, ursprünglich beim Landgericht Gerhobenen und später an das Arbeitsgericht verwiesenen Zahlungsklage hat der Kläger geltend gemacht, daß ihm der Beklagte für die entstandenen Unfallschäden einstehen müsse. Hierzu hat er unter Hinweis auf die Ermittlungsakten vorgetragen, der Kläger habe den Unfall grob fahrlässig verursacht, indem er das gut ausgeschilderte Stopschild im Kreuzungsbereich ohne vorheriges Anhalten überfahren habe. Der Beklagte könnte sich auch nicht auf eine Übermüdung berufen, da die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten eingehalten worden seien. Neben dem mit 8.072,– DM angegebenen Fahrzeugschaden hat der Kläger pauschale Ab- und Ummeldegebühren von 94,– DM, ferner einen Nutzungsausfall für 14 zur Wiederbeschaffung benötigte Tage in Höhe von täglich 52,– DM, insgesamt also 728,– DM, weiterhin pauschale Nebenkosten in Höhe von 30,– DM für unfallbedingten Aufwand sowie von ihm verauslagte Sachverständigen-Gebühren in Höhe von 501,– DM (ohne MWSt) beansprucht.

Der Kläger hat daher beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.425,– DM nebst 8 % Zinsen seit dem 25.6.1986 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, an dem Stopschild angehalten zu haben; erst beim Anfahren sei es dann zu der Kollision gekommen. Er habe das vorfahrtsberechtigte Fahrzeug deshalb übersehen, weil er zum Unfallzeitpunkt bereits 16 Stunden im Dienst gewesen sei. So habe er am Morgen vor dem Unfalltag, also am 3.8.1985, um 8.30 Uhr seinen Dienst begonnen, da er sich ab diesem Zeitpunkt in Rufbereitschaft befunden habe. Um 11.00 Uhr habe er einen Fahrgast vom Autohaus S. in A. nach F. fahren müssen, von wo er erst um 14.00 Uhr zurückgekehrt sei. Anschließend habe er sich bis 19.00 Uhr in der Nähe des Fahrzeugs in Rufbereitschaft aufhalten müssen.

Darüber hinaus vertritt der Beklagte die Ansicht, daß der Kläger verpflichtet gewesen sei, für das Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abzuschließen; mithin könne er allenfalls in Höhe der Selbstbeteiligung haftbar gemacht werden.

Schließlich hat der Beklagte eine auf Herausgabe der Arbeitspapiere, diverser Werkzeuge und anderer Gegenstände gerichtete Widerklage erhoben, welche indes – aufgrund zwischenzeitlicher Streiterledigung – keiner näheren Darstellung mehr bedarf.

Das Arbeitsgericht hat – nach Beiziehung der Ordnungswidrigkeitsakten des Regierungspräsidenten in K. und Durchführung einer Beweisaufnahme – mit seinem am 18.3.1987 verkündeten Urteil dem Zahlungsbegehren des Klägers in Höhe von 8.603,– DM nebst Zinsen entsprochen und die weiterg...

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