Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung einer Kündigung mangels Vollmachtsvorlage. Kenntnis des Arbeitnehmers von der Bevollmächtigung. Annahmeverzugsvergütung. Wahrung einer zweistufigen tariflichen Ausschlussfrist durch Kündigungsschutzklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine durch den Vertreter ausgesprochene Kündigung kann wegen fehlender Originalvollmacht zurückgewiesen werden, wenn dem Arbeitnehmer nicht bekannt gegeben wurde, dass dem Vertreter die mit Entlassungsbefugnis verbunde Stelle übertragen wurde.
2. Die zweite Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist, die gerichtliche Geltendmachung verlangt, wird durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage auch für davon abhängige Ansprüche nicht gewahrt.
Orientierungssatz
1. Eine von einem Bevollmächtigten (hier: Niederlassungsleiter eines Gebäudereinigungsunternehmens) ohne Vollmachtsvorlage ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 174 S 1 BGB unwirksam, wenn der Arbeitnehmer von der Übertragung der Stellung (hier: Niederlassungsleitung) nicht in Kenntnis gesetzt worden ist. Kenntnis des Arbeitnehmers von der Bevollmächtigung. Annahmeverzugsvergütung. Wahrung einer zweistufigen tariflichen Ausschlussfrist durch Kündigungsschutzklage.
2. Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage wahrt für die vom Ergebnis einer Kündigungsschutzklage abhängenden Ansprüche nicht die zweite Stufe einer tariflichen Ausschlussklausel, mit der eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche verlangt wird. Dies gilt auch im Lichte der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. März 2008, 5 AZR 429/07, da die darin aufgestellten Grundsätze nur für Ausschlussfristen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten (- siehe dazu Urteil des BAG vom 14.04.2011 - 6 AZR 727/09).
Normenkette
BGB § 174 Sätze 1-2; TVG § 4 Abs. 4 S. 3; BGB § 611 Abs. 1, § 615 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 04.12.2008; Aktenzeichen 3 Ca 375/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 04. Dezember 2008 – 3 Ca 375/08 – teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25. August 2008 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.855,48 EUR (in Worten: Eintausendachthundertfünfundfünfzig und 48/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 407,50 EUR (in Worten: Vierhundertsieben und 50/100 Euro) seit dem 16. Januar 2009, aus 423,80 EUR (in Worten: Vierhundertdreiundzwanzig und 80/100 Euro) seit dem 16. Februar 2009, aus 326,00 EUR (in Worten: Dreihundertsechsundzwanzig und 00/100 Euro) seit dem 16. März 2009 und aus 698,18 EUR (in Worten: Sechshundertachtundneunzig und 18/100 Euro) seit dem 16. April 2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben die Klägerin 33 % und die Beklagte 67 % zu tragen.
Von den Kosten der Berufung haben die Klägerin 31 % und die Beklagte 69 % zu tragen.
Die Revision wird für die Klägerin nicht zugelassen und für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, über Annahmeverzugsvergütungsansprüche für die Zeit von September 2008 bis einschließlich März 2009 sowie über Ansprüche auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2008 und 2009.
Die im Mai 1948 geborene Klägerin war seit dem 01. April 2008 im Rahmen eines bis zum 31. März 2009 befristeten Arbeitsverhältnisses als Innen- und Unterhaltsreinigerin für die in A ansässige Beklagte an sechs Tagen pro Woche je zwei Stunden pro Tag tätig. Arbeitsvertraglich vereinbarten die Parteien eine Probezeit von sechs Monaten, während derer das Arbeitsverhältnis mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist gekündigt werden sollte, eine Pauschalvergütung in Höhe von EUR 350,00 sowie die Geltung der Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk, soweit sie für allgemeinverbindlich erklärt sind. Ziff. 14 Abs. 3 des Arbeitsvertrages lautet wie folgt:
„Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann auch durch den Objektleiter / Niederlassungsleiter ausgesprochen werden.”
Mit Schreiben vom 25. August 2008 (Anlage zur Klageschrift / Bl. 10 d. A.), das unterschrieben war mit „i. V. B, Niederlassungsleiter”, wurde das Arbeitsverhältnis durch die Beklagte ordentlich zum 08. September 2008 gekündigt. Mit Schreiben vom 28. August 2008 (Anlage zur Klageschrift / Bl. 11 d. A.) wies die Klägerin die Kündigung „wegen fehlender Kündigungsbevollmächtigung und Nichtvorlage der Vollmachtsurkunde” zurück.
Mit ihrer am 05. September 2008 beim Arbeitsgericht Offenbach am Main eingegangenen und am 12. September 2008 der Beklagten zugestellten Klage hat die Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung sowie die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet und ein Zwischenzeugnis verlangt. Mit der K...