Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung. einheitlicher Versicherungsfall. Begriff des einheitlichen Versicherungsfalls. Taggleiche Neuerkrankung
Leitsatz (amtlich)
Stellt die Kurklinik im Entlassungsbericht fest, dass der Arbeitnehmer als arbeitsfähig entlassen wird, hat die Erkrankung geendet. Erkrankt der Arbeitnehmer bei tagesgleichem Arbeitsantritt an einer anderen Erkrankung liegt kein einheitlicher Versicherungsfall vor.
Normenkette
EFZG § 3
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Entscheidung vom 06.10.2009; Aktenzeichen 7 Ca 396/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 6. November 2009 - 7 Ca 396/09 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um einen Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der Kläger war seit 1991 bei der Beklagten zu einem Stundenlohn von zuletzt € 11,70 brutto sowie vermögenswirksamen Leistungen von monatlich € 26,60 beschäftigt. Am 8. Januar 2009 trat bei ihm aufgrund eines Bandscheibenvorfalls eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ein, in deren Verlauf er - nach durchgehender Arbeitsunfähigkeit bis zu diesem Tag - ab dem 14. April 2009 in der Klinik A in B eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchführte. Der ärztliche Entlassungsbericht vom 19. Mai 2009 vermerkte, dass der Kläger am 12. Mai 2009 als arbeitsfähig entlassen wurde. Wegen der Einzelheiten dieses Berichts wird auf die Kopie Bl. 281-292 d.A. Bezug genommen. Der Kläger erschien noch am 12. Mai 2009 nach der Entlassung aus der Klinik A im Betrieb der Beklagten und erhielt daraufhin das mit dem Datum dieses Tages versehene Kündigungsschreiben der Beklagten, nach dem das Arbeitsverhältnis zum 13. Mai 2009 enden sollte (Bl. 3 der beigezogenen Akte 8 Ca 188/09 des Arbeitsgerichts Kassel - im Folgenden: BA). Am 13. Mai 2009 suchte der Kläger die Praxis C in D auf und erhielt durch den Arzt E als Erstbescheinigung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum 13. Mai 2009 bis 2. Juni 2009 mit der Diagnose depressive Episode (ICD 10- F 32.9) und eine Überweisung wegen "Dyssomnie, depressive Episode" an den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin F . Am 3. Juni 2009 war der Kläger erneut in der Praxis C und bekam eine Bescheinigung für die Krankengeldzahlung ausgehändigt (Bl. 104 d.A.). Behandelt wurde er an diesem Tag wiederum durch den Arzt E . Am 4. Juni 2009 stellte er sich erstmals bei dem Arzt F vor, der an diesem Tag einen Arztbericht mit dem sich aus Bl. 293 d.A. ergebenden Inhalt an die Hausärzte C und E fertigte. Am 24. Juli 2009 stellte der Arzt F für ihn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus, die als Folgebescheinigung gekennzeichnet war, und eine Arbeitsunfähigkeit vom 8. Januar 2009 bis voraussichtlich 2. August 2009 auswies (Bl. 14 d.A.). Am 30. Juli 2009 schlossen die Parteien im Kündigungsrechtstreit 8 Ca 188/09 vor dem Arbeitsgericht Kassel einen Vergleich, nach dem das Arbeitsverhältnis durch ordentliche, arbeitgeberseitige, betriebsbedingte Kündigung mit dem 31. Juli 2009 geendet hat und die Beklagte das Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung ordnungsgemäß abzurechnen und den sich aus der Abrechnung ergebenden Nettobetrag, soweit dieser nicht auf Dritte übergegangen ist, an den Kläger zu zahlen hat. Mit Schreiben vom 9. September 2009 (Bl. 23 d.A.) teilte die Krankenkasse des Klägers dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit, der medizinische Dienst der Krankenkasse habe am 29. Juni 2009 eine Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers vorgenommen und forderte die Beklagte zur Entgeltfortzahlung dem 13. Mai 2009 auf. Der den Kläger behandelnde Neurologe und Psychiater F erteilte unter dem 2. November 2009 eine fachärztliche Stellungnahme zur Vorlage beim Arbeitsgeber und dem Arbeitsgericht mit dem sich aus Bl. 31 d.A. ergebenden Inhalt. Mit Schreiben vom 2. August 2010 teilte die Krankenkasse des Klägers (AOK Hessen) mit, dass sie sämtliche auf sie gemäß § 115 SGB X übergegangene Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte für den Zeitraum 13. Mai 2009 bis 23. Juni 2009 an den Kläger abtrete (Bl. 124 d.A.). Mit Schreiben vom 10. August 2010 bestätigte sie dem Kläger, dass er für den vorgenannten Zeitraum kein Krankengeld von ihr erhalten habe (Bl. 130 d.A.). Wegen der Einträge in die Krankenakte des Klägers bei der Praxis C für den Zeitraum Januar 2009 bis Mai 2009 wird auf die Aufstellung Bl. 276 f. d.A. verwiesen.
Der Kläger hat mit seiner, der Beklagten am 13. September 2009 zugestellten Klage Entgeltfortzahlung für sechs Wochen für den Zeitraum 13. Mai 2009 bis 23. Juni 2009 in rechnerisch unstreitiger Höhe von € 2.845,02 brutto verlangt. Er hat behauptet, während dieses Zeitraums nicht wegen einer Fortsetzungserkrankung krankgeschrieben gewesen zu sein und kein Krankengeld bezogen zu haben.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
an ihn € 2.845,02 bru...