Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Anrechnung übertariflicher Zulagen auf eine Tariflohnerhöhung
Leitsatz (amtlich)
Zu diesem äußerst umstrittenen, seit kurzem dem Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts vorliegenden Fragenkreis hat sich das Berufungsgericht, soweit eine unterschiedliche Anrechnung innerhalb des Betriebs in Rede steht, der Ansicht des geschäftsverteilungsmäßig zuständigen Ersten Senats (Urteil vom 24. November 1987, in AP Nr. 31 zu § 87 BetrVG 1972 – Lohngestaltung –) angeschlossen und im übrigen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 15.12.1988; Aktenzeichen 7 Ca 6/88) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 15.12.1988 – Az.: 7 Ca 6/88 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Es wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte, welche ein Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie mit ca. 380 Beschäftigten betreibt, mit der vorliegenden Zahlungsklage wegen einer Tarifgehaltserhöhung von jeweils 82,– DM für die Monate März bis Juli 1988 in Anspruch, welche ihm seitens der Beklagten bislang nicht abgerechnet bzw. ausbezahlt wurde.
Der 26-jährige verheiratete Kläger, Vater eines minderjährigen Kindes, war bei der Beklagten in der Zeit vom 28.3.1986 bis zum 30.9.1989 als technischer Angestellter beschäftigt; auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden – gemäß dem Arbeitsvertrag vom 12.5.1986 (Bl. 57–60 d.A.) – die Tarifverträge der Feinkost-, Nährmittel- und Teigwarenindustrie in Hessen/Rheinland-Pfalz Anwendung. Das monatliche Gehalt des Klägers belief sich zuletzt auf 3.000,– DM brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und beinhaltete unstreitig eine – nicht gesondert ausgewiesene – freiwillige übertarifliche Zulage, welche seitens der Beklagten jederzeit widerruflich und auf das Ergebnis zukünftiger Tarifabschlüsse voll anrechenbar war.
Das Tarifgehalt des Klägers in der Gehaltsgruppe I 2 stieg zum 1.3.1988 von 2.495,– DM auf 2.577,– DM brutto an. Die Beklagte rechnete jedoch die übertarifliche Zulage des Klägers in vollem Umfange auf die Tarifgehaltserhöhung an, wodurch das Monatsgehalt des Klägers bei dem bisherigen Verdienst von 3.000,– DM brutto verblieb. In entsprechender Weise rechnete die Beklagte auch bei 13 weiteren Mitarbeitern ihres Betriebs die bislang gewährten übertariflichen Zulagen auf die Tariferhöhung an, während sie allen übrigen Mitarbeitern die tarifliche Gehalts- bzw. Lohnerhöhung effektiv gutbrachte; der bei ihr bestehende Betriebsrat wurde hierbei nicht beteiligt.
Mit Schreiben vom 10.6.1988 (Bl. 5, d. A.) machte der Kläger seinen Anspruch auf die tarifliche Gehaltserhöhung ab dem 1.3.1988 geltend. Bei einem am 7.7.1988 geführten Gespräch erklärte die Beklagte daraufhin dem Kläger, die Anrechnung der übertariflichen Zulage auf die Tarifgehaltserhöhung sei deswegen erfolgt, weil sie nach wie vor mit seiner Eigeninitiative und Leistung unzufrieden sei; dabei bezog sich die Beklagte ergänzend auf ein früheres, am 14.10.1987 geführtes Gespräch mit dem Kläger, in welchem sie diese Mängel schon einmal beanstandete, jedoch dessen ungeachtet das damalige Monatsgehalt des Klägers von 2.800,– DM per 1.3.1987 auf 3.000,– DM brutto erhöhte (vgl. die hierüber erstellte Gesprächsnotiz vom 20.10.1987, Bl. 15 d.A.).
Der Kläger hat demgegenüber in Abrede gestellt, daß er zu wenig Eigeninitiative entwickele und fachlich zu wenig wisse; vielmehr habe man ihm während der Schulferien 1987 bereits die stellvertretende Leitung der Abteilung „Essenzen” übertragen. Nachdem seine Ausgrenzung mithin willkürlich bzw. ohne hinreichenden sachlichen Grund erfolgt sei, macht er für die Monate März bis Juli 1988 den Differenzbetrag zwischen dem Monatsgehalt, welches er ohne die Anrechnung erhalten hätte, und dem ihm tatsächlich abgerechneten Gehalt in der unstreitigen Höhe von 410,– DM brutto geltend. Im übrigen sei die Anrechnungsmaßnahme der Beklagten auch deshalb rechtsunwirksam, weil sie die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.11.1987 – Az.: 1 ARB 57/86 (Leitsatz: Bl. 18 d.A.) – über das in solchen Fällen bestehende Mitbestimmungsrecht ihres Betriebsrats i.S. des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht beachtet habe.
Im Gütetermin vom 3.10.1988 hat der Kläger gegen die nicht vertretene Beklagte ein seinem Zahlungsbegehren entsprechendes Versäumnisurteil erwirkt (Bl. 8/9 d.A.). Gegen dieses, ihr am 20.10.1988 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit einem am 7.10.1988 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz fristgerecht Einspruch eingelegt.
Der Kläger hat sodann beantragt,
den Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 3.10.1988 zurückzuweisen.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 3.10.1988 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, daß sich die Leistungen des Klägers im Frühjahr 1988 im Vergleich zum Vorjahr keineswegs gebessert ...