Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Schadenersatz bei Unterstützerstreik. Zur Eigentumsverletzung durch Streik. Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Schadenersatz durch Streik. Eigentumsverletzung durch Streik

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB liegt nicht vor, wenn im Rahmen eines 24 Stunden zuvor angekündigten gewerkschaftlichen Unterstützungsstreiks Fluglotsen derart streikten, dass aufgrund einer Notdienstvereinbarung 25 Prozent des planmäßigen Flugverkehrs stattfand und der Unterstützungsstreik nach 5 Stunden und 9 Minuten endete. In diesem Fall handelt es sich lediglich um eine vorübergehende Einengung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit der Flugzeuge.

2. Dieser Unterstützungsstreik begründet auch keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, weil keine unmittelbare betriebsbezogene Beeinträchtigung des gewerblichen Tätigkeitskreises der drittbetroffenen Fluggesellschaften gegeben ist.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3; BGB §§ 826, 823 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 328; LuftVG § 32 Abs. 4; BGB § 247

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.03.2012; Aktenzeichen 10 Ca 3468/11)

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 27.03.2012; Aktenzeichen 10 Ca 3468/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.08.2015; Aktenzeichen 1 AZR 754/13)

 

Tenor

Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. März 2012 - 10 Ca 3468/11 - werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Unterstützungsstreik.

Die Klägerinnen sind Luftfahrtunternehmen. Der Beklagte ist eine am 9. Juli 2003 gegründete Gewerkschaft, die nach eigenen Angaben am 24. April 2009 etwa 3.200 Beschäftigte, u.a. in den Towern der Flughäfen vertrat. In § 4 ihrer mehrfach geänderten Satzung ist ihr Organisationsbereich geregelt:

"(1) Der Organisationsbereich der GdF umfasst alle Betriebe und Unternehmen, in welchen die Überwachung und Lenkung von Luftfahrzeugen in der Luft oder auf dem Boden zur sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Verkehrs erfolgt oder mit dieser Aufgabe in unmittelbarem Zusammenhang stehende planerische, informatorische, technische und qualifizierende Unterstützungsleistungen erbracht werden. Hierunter fallen insbesondere:

a) die Überwachung und Lenkung der Bewegungen im Luftraum und auf den Abstell- und Bewegungsflächen von Flugplätzen (einschließlich der Vorfeldkontrolle);

b) die Bereitstellung und der Austausch von Informationen zur Planung, Vorbereitung und Durchführung von Flügen durch Publikationen und Beratung vor dem Flug und der Fluginformationsdienst während des Fluges;

c) die Verkehrsflussregelung im Luftraum und auf den Abstell- und Bewegungsflächen von Flugplätzen und die Steuerung der Luftraumnutzung

...

Wegen der weiteren Einzelheiten der Satzung wird auf Bl. 87 ff. d. A. verwiesen.

Der Beklagte hatte entsprechend § 6 der im Zuge der Privatisierung der Flugsicherung abgeschlossenen Rahmenvereinbarung (Auszug Bl. 141 - 144 d. A.) mit der A GmbH am 26. Juli 2006 eine Notdienstvereinbarung abgeschlossen (Bl. 145 ff. d. A.). Gemäß deren § 3 Abs. 1 ist eine Arbeitskampfmaßnahme 24 Stunden vorher anzukündigen. Als Notdienstarbeiten galten zusätzlich zu bestimmten Flügen für Not- und Katastropheneinsätzen usw. die Durchführung von 25 % des planmäßigen Luftverkehrs, der in dem vom Arbeitskampf betroffenen Sektor üblicherweise pro Stunde durchgeführt wird.

Bei der A GmbH herrschte bis zum 31. Dez. 2011 das sog. Vollkostendeckungsprinzip, das sich aus der VO über die Erhebung von Kosten für die Inanspruchnahme von Diensten und Einrichtungen der Flugsicherung bei An- und Abflug (FSAAKV) ergab ("Die Gebühren sind so zu bemessen, dass der gesamte Aufwand für die Flugsicherung ...gedeckt wird"). Bei der jährlichen Vorausfestlegung wurden auch evtl. Über- oder Unterdeckungen aus dem Vor-Vorjahr berücksichtigt.

Die B GmbH betreibt den C. Verkehrsflughafen. Sie beschäftigt über 1000 Arbeitnehmer. Davon waren in der Abteilung Verkehrszentrale/Vorfeldkontrolle (VL 2) 23 Mitarbeiter beschäftigt. Wegen ihres Aufgabenbereichs wird auf die Dienstanweisung VL Nr. 1/08 der B GmbH vom 24. April 2008 und die Arbeitsanweisung VL 2 Nr. 03/08 verwiesen (Bl. 112 ff., 117 ff. d. A.). Mit einer Ausnahme waren die Mitarbeiter dieser Abteilung in der Lage, sowohl in der Verkehrszentrale wie auch in der Vorfeldkontrolle zu arbeiten. Der Beklagte forderte die B GmbH im Frühjahr 2008 zu Tarifverhandlungen für die in der Vorfeldkontrolle tätigen Arbeitnehmer auf. Am 10. Nov. 2008 schlossen die Tarifvertragsparteien eine sog. Prozessvereinbarung, die die Rahmenbedingungen für die Tarifverhandlungen in der Vorfeldkontrolle festlegte (Bl. 131 ff. d. A.). Am 12. Febr. 2009 legte der Beklagte einen Tarifvertragsentwurf "Sonderregelung Apron Control TVöD" vor, der für die "Mitarbe...

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