Entscheidungsstichwort (Thema)

Interessenausgleich mit Namensliste

 

Leitsatz (amtlich)

Es bedarf keiner festen körperlichen Verbindung von Interessenausgleich und der nur paraphierten Namensliste, wenn sich die Einheit der Urkunde aus anderen Merkmalen ergibt.

 

Orientierungssatz

Die Schriftform erfordert keine körperliche Verbindung der einzelnen Blätter der Urkunde, wenn sich deren Einheit aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt. Eine feste körperliche Verbindung ist nur eine Möglichkeit, aus der die Zusammengehörigkeit ersichtlich sein kann

 

Normenkette

InsO § 125 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Urteil vom 03.07.2008; Aktenzeichen 9 Ca 40/08)

 

Nachgehend

BAG (Entscheidung vom 27.08.2010; Aktenzeichen 2 AZR 632/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 03. Juli 2008, Az.: 9 Ca 40/08, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung und um Weiterbeschäftigung.

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen und betreibt bundesweit eine Vielzahl von Filialen, ua. in A (Filiale 34). In mehreren Filialen, so auch in A, wurden örtliche Betriebsräte gewählt, bei der Beklagten ist ferner ein Gesamtbetriebsrat gebildet. Die Beklagte beschäftigte zum Jahresende 2007 in ihrer Filiale A nach Angaben der Klägerin 63 Arbeitnehmer und nach Angaben der Beklagten 45 Arbeitnehmer.

Die am 13. Mai 1955 geborene, verheiratete Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund Arbeitsvertrages vom 01. Februar 1991 (Bl. 4 d.A.) und Änderungsvereinbarungen vom 10. September 1996 (Bl. 5 f d.A.) seit 01. Februar 1991 beschäftigt, seit 01. Januar 1997 in Teilzeit im Umfang von 50 % einer Vollzeitstelle und mit einer zuletzt erzielten Bruttomonatsvergütung von 1.341,77 EUR.

Die Beklagte ließ 2006/2007 in neun von ihr als repräsentativ angesehenen Filialen eine Multimomentstudie durchführen und danach Maßnahmen zur Neuorganisation ihrer Filialen ausarbeiten. Hierbei wurde basierend auf den Ergebnissen der Multimomentstudie der aktuelle IST-Aufwand aufbereitet und analysiert, Möglichkeiten für Prozessoptimierungen und daraus resultierender Einsparpotentiale, bezogen auf konkrete Tätigkeiten innerhalb der Filialen, analysiert und ein individueller Personalbedarf je Filiale in Kopfzahlen zu Vollzeitäquivalenten (VB) abgeleitet. Am 20. Dezember 2007 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat den hiermit in Bezug genommenen Interessenausgleich (Bl. 12 f d.A.) und den hiermit ebenfalls in Bezug genommenen Sozialplan (Bl. 24 f d.A.). § 1 des Interessenausgleichs (Gegenstand des Interessenausgleichs) nennt unter Ziff. 4 verschiedene Restrukturierungsmaßnahmen. § 2 des Interessenausgleichs lautet auszugsweise:

§ 2 Umfang des Personalabbaus

1. In den Anlagen 1a (Trads) und 1b (Minis), die Bestandteile dieses Interessenausgleiches sind, ist pro Filiale die verbindliche Zielstruktur (Erstkräfte, Verkäufer und Hilfen) nach VB (Vollzeitbeschäftigten) und Prozentwerten festgelegt.

§ 5 des Interessenausgleichs lautet auszugsweise:

§ 5 Sozialauswahl

1. Die Kündigungen, die im Rahmen der Maßnahmen ausgesprochen werden, erfolgen unter Beachtung der nachfolgenden Regelungen zur Sozialauswahl.

2. Allgemeine Regelungen:

3. Es werden folgenden Vergleichsgruppen gebildet:

b) Zweite Vergleichsgruppe:

Mitarbeiter Verkauf (111), soweit diese nicht überwiegend Kassentätigkeiten ausüben; …

4. Innerhalb der genannten Vergleichsgruppen außer bei der dritten Vergleichsgruppe, bei der die Tätigkeitsgruppen einzeln betrachtet werden, erfolgt unter Beachtung der allgemeinen Regeln (§ 5 Ziffer 2 und 3 des Interessenausgleichs) eine soziale Auswahl nach den gesetzlich vorgeschriebenen sozialen Gesichtspunkten: Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung und auch Lebensalter.

Dabei ist unter Einbeziehung des berechtigten betrieblichen Interessen zu beachten, dass die Altersstruktur des Personals einer jeden Filiale soweit möglich ausgewogen bleibt, wie auch wesentliche Leistungsträger dem Unternehmen erhalten bleiben sollen.

Die sozialen Gesichtspunkte werden nach einem in einer Zusatzvereinbarung niedergelegten Punkteschema zueinander gewichtet.

Bei Anwendung des Punkteschemas und Durchführung der Sozialauswahl ist möglichst auf das Ziel der dem Interessenausgleich zugrunde liegenden Maßnahamen, nämlich ein Unternehmen mit einer die Sanierungs- und Überlebensfähigkeit sichernden Personalstruktur zu erreichen, zu achten.

In die soziale Auswahl sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des...

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