Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Sonderliquidationsverfahren nach griechischem Recht. Betriebsratsanhörung. Zurückweisung der Anhörung gemäß § 174 BGB. fehlerhafte Massenentlassungsanzeige führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG kann keine Zurückweisung nach § 174 BGB erfolgen.
2. Wurde durch bestandskräftigen Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung die Wirksamkeit einer Massenentlassungsanzeige bestätigt, ist die Arbeitsgerichtsbarkeit hieran im Kündigungsschutzverfahren gebunden.
Normenkette
KSchG §§ 1, 17-18; BGB §§ 174, 177, 180, 613a; BetrVG § 102; InsO § 113
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.11.2010; Aktenzeichen 2 Ca 371/10) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 2010, 2 Ca 371/10, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen, soweit die Klage gegenüber der Beklagten zu 1) abgewiesen wurde. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie darum, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin infolge Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 334 bis 341 d.A.).
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch am 06. Dezember 2010 verkündetes Urteil, 2 Ca 371/10, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Klageantrag zu 1) enthalte nur den Kündigungsschutzantrag nach § 4 KSchG, der Satzteil „sondern über diesen Zeitpunkt hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht” weise keine eigenständige Bedeutung aus. Für diesen Klageantrag sei auch die Beklagte zu 1) die richtige Beklagte, da mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergehe, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats in allen Mitgliedsstaaten anerkannt werde, es sich bei dem Sonderliquidationsverfahren nach Art. 14 A Abs. 1 des A Gesetzes Nr. 3429/2005, hinzugefügt durch Gesetz Nr. 3710/2008, um ein Gesamtverfahren nach Art. 1 Abs. 1 EuInsVO und ein Insolvenzverfahren nach Art. 2 lit. a EuInsVO handele und das B Berufungsgericht für die Eröffnung des Verfahrens zuständig gewesen sei, wobei für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf den Arbeitsvertrag und das Arbeitsverhältnis deutsches Recht Anwendung finde. Die Kündigung der Beklagten zu 1) sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, da die Beklagte zu 1) sich zur Betriebsstilllegung entschlossen habe und diese im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen habe. Weiterbeschäftigung einiger weniger namentlich nicht genannter Arbeitnehmer über den Kündigungstermin hinaus stehe der Annahme einer Betriebsstilllegungsabsicht nicht ohne weiteres entgegen, wobei die Klägerin auch nicht hinreichend dargelegt habe, welche Tätigkeiten diese Arbeitnehmer ausführten. Die Kündigungsfrist bestimme sich nach § 113 InsO und sei gewahrt. Die Klägerin habe die Kündigung nicht nach § 174 BGB zurückweisen können, da dem Kündigungsschreiben unstreitig eine Originalvollmacht auf den die Kündigung erklärenden Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) beigefügt war, der fehlende Hinweis auf Bestellung eines Sonderliquidators unschädlich sei und die Zurückweisung erst mit der Klageschrift ohnehin nicht unverzüglich erfolgt sei. Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat habe die Betriebsratsanhörung nicht mangels Vorlage einer Originalvollmacht zurückweisen können, denn § 174 BGB finde auf die Betriebsratsanhörung keine, auch keine analoge, Anwendung. Inhaltlich sei die Betriebsratsanhörung nicht zu beanstanden, wobei Angaben zu einer Sozialauswahl nicht erforderlich gewesen seien, da die Beklagten zu 1) eine solche offenbar für entbehrlich gehalten habe. Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam, denn der rechtskräftige Verwaltungsakt der C, wonach die Massenentlassungsanzeige wirksam eingegangen sei, binde auch die Arbeitsgerichte. Die Kündigung sei auch nicht gemäß § 613a Abs. 4 BGB unwirksam, denn der Vortrag der Klägerin ergebe allenfalls den Übergang von Betriebsteilen, ohne dass ersichtlich sei, welcher der Betriebsteilübergänge ihr Arbeitsverhältnis erfasst haben soll. Es seien keine Tatsachen vorgetragen, die den Übergang eines Bodenbetriebs in Deutschland auf die Beklagte zu 2) begründen. Da kein Betriebsübergang dargelegt sei, sei das Arbeitsverhältnis auch nicht auf die Bek...