Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. außerordentliche Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Der schwerwiegende Verdacht gegen einen Arbeitnehmer, er habe das ihm zur Verfügung gestellte Diensthandy vertragswidrig dazu genutzt, um im Dienstmodus im Internet zu surfen, kann die außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.09.2010; Aktenzeichen 4 Ca 2584/10) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 2 AZN 1305/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. September 2010, 4 Ca 2584/10, abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen und hilfsweise mit Auslauffrist ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung und um Weiterbeschäftigung.
Der bei Klageerhebung A Jahre alte, verheiratete und noch zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten, die weit mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, seit 15. Juni 1988 beschäftigt, zuletzt als Hubwagenfahrer mit einem Bruttomonatseinkommen von nach seinen Angaben durchschnittlich 3.511,78 EUR inkl. Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt kraft einzelvertraglicher Bezugnahme dem ua. für den Bereich der Beklagten abgeschlossenen Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal, gültig ab 01. Oktober 1992 (Bl. 69 f d.A., in der Folge: MTV Nr. 14). Nach § 41 Abs. 3 MTV Nr. 14 ist nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren die ordentliche Kündigung durch die Beklagte einschließlich der ordentlichen Änderungskündigung ausgeschlossen.
Der Kläger war Wahlbewerber zu der im März 2010 bei der Beklagten durchgeführten Betriebsratswahl. Ausweislich des am 31. März 2010 bekanntgegebenen Wahlergebnisses wurde er nicht in den Betriebsrat gewählt.
Im Bereich Transport, in dem auch der Kläger tätig ist, stellt die Beklagte den Arbeitnehmern Mobiltelefone zur dienstlichen Nutzung zur Verfügung, so auch dem Kläger. Die Handys dienen jedenfalls der Kommunikation der Hubwagenfahrer mit der Einsatzzentrale und weiteren innerbetrieblichen Ansprechpartnern. Die Kommunikation erfolgt hierbei jedenfalls über Anrufe und über eine auf das Handy aufgespielte Java-Applikation, die die Verbindung mit dem Steuerungssystem NewOPPS herstellt und durch die die Mitarbeiter ihre Aufträge erhalten und bestätigen können. Diese dienstliche Nutzung des Handys über das System NewOPSS wird auf der Abrechnung des Anbieters T-Mobile als „Intranet” ausgewiesen. Ob weitere Nutzungsmöglichkeiten des Handys dienstlich geboten sein können, ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig ist für den Kläger Internetnutzung des Handys nicht dienstlich erforderlich.
Am 04. März 2004 bestätigte der Kläger durch Unterschrift den Empfang eines Handys. Das von der Beklagten vorformulierte Schreiben (Bl. 212 d.A.) lautet auszugsweise:
Bitte beachten Sie, dass die Weitergabe des Handys an Dritte nicht zulässig ist.
Die o.g. Telefon-Nr. ist nur für die dienstliche Verwendung vorgesehen.
Für private Gespräche ist die private DuoBill Pin-Nr. zu verwenden.
Derselbe Hinweis befindet sich auf einer vom Kläger im Jahr 2009 anlässlich des Empfangs eines neuen Handys unterzeichneten Erklärung (Bl. 211 d.A.).
Den Mitarbeitern der Beklagten wird die private Nutzung des Handys über eine sog. „Duo-Bill-Funktion” oder „Twin-Bill-Funktion” angeboten. Bei dieser Funktion erhält der Arbeitnehmer eine private Rufnummer und eine private PIN-Nummer, über die er sich in sein Handy einwählen kann, um dies privat zu nutzen. Der Kläger entschied sich gegen diese Möglichkeit.
Bei der Beklagten wurden Ende 2009 und/oder Anfang 2010 Überprüfungen der Abrechnungen für Firmenhandys einzelner Arbeitnehmer durchgeführt, so auch bezüglich des Handys des Klägers. Einzelheiten bezüglich dieser Überprüfungen sind streitig.
Wegen Auffälligkeiten bei den überprüften Abrechnungen der Dienstnummer des Firmenhandys des Klägers wurde dieser zunächst am 16. Februar 2010 vorläufig vom Dienst suspendiert und mit Schreiben vom 16. Februar 2010 (Bl. 207 f d.A.) zu dem Vorgang angehört. Der Kläger reagierte mit Schreiben vom 18. Februar 2010 (B. 234 f d.A.) und nach Gewährung einer Fristverlängerung mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 23. Februar 2010 (Bl. 236 f d.A.). Die Beklagte hörte zwar den in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat mit Anhörungsschreiben vom 24. Februar 2010 (Bl. 161 f d.A.) zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an und bat um Zustimmung, entschied sich jedoch nach Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zunächst, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen. Am 04. März 2010 führte sie aus diesem Grund mit dem Kläger ein Gespräch, an dem ua. die Leiterin der Personalbetreuung B teilnahm. Diese wies den Kläger darauf hin, er habe künftig Privatnutzung seines Diensthandys zu unterlassen, ...