Leitsatz (amtlich)

1) Der Widerspruch i. S. des § 625 BGB kann vor dem vertraglichen Fristende erklärt werden; er kann darin liegen, dass der Arbeitgeber das in den Kalendermonat fallende Fristende aus praktischen Gründen für den Monatschluss „bestätigt”.

2) § 625 BGB erfordert für die „Fortsetzung” des Arbeitsverhältnisses die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers.

3) Auf den Inhalt eines Tarifvertrages kann selektiv Bezug genommen werden.

4) Die Parteien des Arbeitsvertrages können vereinbaren, dass eine gesetzliche „Soll-Vorschrift” zwischen ihnen die Bedeutung eines gesetzlichen Verbots haben soll.

5) Zur Inhaltskontrolle eines Formulararbeitsvertrages.

6) § 41 Abs. 1 S. 2 LuftBO i. d. F. der VO vom 29.07.1998 gilt bis zum In-Kraft-Treten des Abschnitts A 1.060 der JAR-FCL weiter.

7) Die vertragliche Altersgrenze „60” für Berufsflugzeugführer von Flugzeugen mit einer Höchststartmasse von mehr als 10.000 kg oder mit einer genehmigten Fluggastsitzanzahl von mehr als 19 ist mehrfach sachlich begründet und auch ohne eine vorgesehene Übergangsversorgung gültig.

8) Eine solche Vereinbarung verstößt nicht gegen das einschlägige EG-Recht, das eine Diskriminierung wegen des Alters verhindern will.

9) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nicht im Konzern.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 620, 625; LuftBO § 41 Abs. 1 S. 2 i.d.F. vom 29.07.1998

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Urteil vom 13.12.2000; Aktenzeichen 9 Ca 276/99)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 13.12.2000 – AZ.: 9 Ca 276/99 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wurde am 01.07.1990 durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die G. GmbH, als Flugzeugführer zur Verwendung auf dem Flugzeugtyp B 747 eingestellt. Der Arbeitsvertrag vom 01.07.1990 bestimmte in seinem § 10:

„Der Arbeitsvertrag endet, ohne daß es einer Kündigung bedarf, wenn der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet hat.

Soweit ein Gesetz oder eine Verordnung den fliegerischen Einsatz über ein bestimmtes Alter hinaus durch eine zwingende oder eine Soll-Bestimmung nicht gestattet, endet der Arbeitsvertrag, ohne daß es einer Kündigung bedarf, wenn der Mitarbeiter das dort bestimmte Alter erreicht. Gemäß § 41 Abs. 1 der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät soll derzeit ein fliegerischer Einsatz bei einem Alter von über 60 Jahren nicht erfolgen, sodaß der Arbeitsvertrag mit Vollendung des 60. Lebensjahres endet, soweit diese oder eine entsprechende Vorschrift zu jenem Zeitpunkt noch zu beachten ist.

…”

Der mit der Beklagten am 19.01.1996 geschlossene Arbeitsvertrag hat unter „7. Altersbegrenzung” folgenden Inhalt:

„(1)

Der Arbeitsvertrag endet, ohne daß es einer Kündigung bedarf, in dem Monat, in dem Herr W. das 60. Lebensjahr vollendet hat.

(2)

Soweit Herr W. in seinem vorherigen Arbeitsvertrag eine abweichende Regelung hatte, so gilt diese.”

Der Kläger hat das 60. Lebensjahr am 06.08.1999 vollendet. Die Beklagte teilte ihm deshalb am 02.07.1999 mit Schreiben ohne Datum (s. Bl. 3 d. A.) auszugsweise mit:

„…

hiermit bestätigen wir Ihnen die Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses als Flugzeugführer mit unserer Gesellschaft mit Ablauf des 31.08.1999 unter Bezugnahme auf die entsprechenden arbeitsvertraglichen und behördlichen Regelungen.

…”

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis der Parteien bestehe auch nach Vollendung seines 60. Lebensjahres fort; es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte in ihrem am 02.07.1999 übergebenen Schreiben ein Ende des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.1999 mitgeteilt habe, als der Kläger sich bereits im 61. Lebensjahr befunden habe. Darüber hinaus hat der Kläger ausgeführt, dass es für eine wirksame Befristung des Arbeitsverhältnisses an einem sachlichen Grund fehle, dass in Anbetracht der Beschäftigung von Piloten bei der L. bis zum 65. Lebensjahr der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt sei und dass nach der seit dem 01.09.1998 geltenden Rechtslage keine Bestimmung im Sinne des § 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrages mehr existiere, die seiner Weiterbeschäftigung ab 01.09.1999 entgegenstehe.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens des Klägers wird auf dessen Schriftsätze vom 09.07.1999 und vom 05.05.2000 Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Mitteilung der Beklagten ohne Datum, zugegangen am 02.07.1999, nicht aufgelöst worden ist;
  2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.08.1999 hinaus fortbesteht;
  3. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht;
  4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag vom 01.07.1999 geregelten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die arbeitsvertragliche Altersgrenzenregelung sei wirksam...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?