Leitsatz (amtlich)

1) An den Inhalt und die Ausgestaltung einer vertraglichen Bezugnahme auf eine vom Arbeitgeber geschaffene und angewandte Beschäftigungsordnung können keine strengeren Anforderungen gestellt werden als an eine vertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag mit komplexem Inhalt.

2) § 10 der Beschäftigungordnung der Lufthansa Cargo AG ist keine „überraschende Klausel”.

3) § 41 Abs. 1 S. 2 der LuftBO beruht auf der Ermächtigungsgrundlage des § 32 Abs. 1 S 1 Nr. 2 LuftVG und gilt i. d. F. der VO vom 29.07.1998 weiter bis zum In-Kraft-Treten des Abschnitts A 1.060 der JAR-FCL.

4) Die sachlich gerechtfertigte vertragliche Altersgrenze „60” stellt keine Altersdiskriminierung i. S. des Europäischen Rechts dar.

5) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nicht im Konzern.

 

Normenkette

GG Art. 12; Richtlinie 2000/78/EG; BGB §§ 133, 157, 242, 623, 625; LuftBO § 41 Abs. 1 S. 2 i.d.F. vom 29.07.1998; SGB VI § 41

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Urteil vom 08.11.2000; Aktenzeichen 9 Ca 357/99)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 08.11.2000 – AZ.: 9 Ca 357/99 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Altersgrenzenregelung, sowie über die Frage, ob der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Übergangsversorgung hat.

Der am 25.08.1939 geborene Kläger wurde auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 28. September 1990 (siehe Bl. 14,15 d.A.) seit dem 01.01.1991 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten und nachfolgend bei der Beklagten selbst als Flugkapitän beschäftigt. Er verdiente zuletzt als Grundgehalt DM 14.407,00 brutto monatlich.

Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält auszugsweise folgende Regelung:

㤠2

Rechte und Pflichten des Mitarbeiters

Die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters ergeben sich aus der Beschäftigungsordnung der GCS, die Bestandteil dieses Arbeitsvertrages sind, sowie den jeweils gültigen Dienstvorschriften der GCS.”

Der Arbeitsvertrag endet u. a. mit folgenden Sätzen:

„Dieser Vertrag wurde doppelt ausgefertigt und jedem Vertragspartner ein unterschriebenes Exemplar ausgehändigt. Der Mitarbeiter bestätigt damit zusätzlich, die Beschäftigungsordnung gemäß § 2 des Arbeitsvertrages erhalten zu haben.”

In § 10 der Beschäftigungsordnung ist unter der Überschrift „Altersbegrenzung/Rentenzahlung” Folgendes bestimmt (siehe Bl. 47 d.A.):

„Der Arbeitsvertrag endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, spätestens dann, wenn der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet hat.

Soweit ein Gesetz oder eine Verordnung den fliegerischen Einsatz über ein bestimmtes Alter hinaus durch eine zwingende oder eine Soll-Bestimmung nicht gestattet, endet der Arbeitsvertrag, ohne dass es einer Kündigung bedarf, wenn der Mitarbeiter das dort bestimmte Lebensjahr vollendet (gemäß § 41 Abs. 1 der Betriebsordnung).”

Mit dem aus Bl. 16 d.A. ersichtlichen Schreiben teilte die Beklagte dem Kläger u. a. mit:

„… hiermit bestätigen wir Ihnen die Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses als Flugzeugführer mit unserer Gesellschaft mit Ablauf des 31.08.1999 unter Bezugnahme auf die entsprechenden arbeitsvertraglichen und behördlichen Regelungen.”

Der Kläger übte nach seinem 60. Geburtstag keine fliegerische Tätigkeit mehr für die Beklagte aus. Er hatte seit dem 26.08.1999 Urlaub. Das Arbeitsverhältnis wurde bis zum 31.08.1999 abgerechnet.

Eine betriebliche Übergangsversorgung bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters besteht nicht. Der seit dem 01.01.1996 geltende Manteltarifvertrag Nr. 1 für das Cockpit-Personal der Beklagten bestimmt in seinem § 19 (siehe Bl. 106 d.A.):

„Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der Altersgrenze

(1) Das Arbeitsverhältnis endet – ohne dass es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird.

(2) Cockpitmitarbeiter können nach Erreichen der Altersgrenze, wenn und solange sie noch voll leistungsfähig sind, in einer anderen Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft weiterbeschäftigt werden, sofern eine fliegerische Tätigkeit nicht mehr in Betracht kommt. In diesem Fall kann jedoch aus der vorangegangenen Tätigkeit als Cockpitmitarbeiter kein Anspruch auf Fortzahlung der bis dahin gezahlten Bezüge abgeleitet werden. Eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung besteht weder auf Seiten der LCAG noch auf Seiten des Cockpitmitarbeiters.”

Der Kläger ist an diesen Tarifvertrag nicht gebunden.

Der Kläger hat ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei mit Erreichung seines 60. Lebensjahres nicht beendet worden. Er habe Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zu seinem 65. Lebensjahr, hilfsweise bis zur Rechtskraft der Entscheidung über seinen Klageantrag zu 1. Die vertragliche Altersgrenzenregelung verstoße gegen Art. 12 GG. Jedenfalls nach der infolge Verordnung zur Änderung luftrechtlicher Vorschriften über Anforderungen an den Betrieb der Luftfahrzeuge vom 29.07.1998 geltenden Rechtslage bestehe keine...

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