Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft und Schwerbehinderung. Mobbing. Erfolglose Klage auf Entschädigung und Schadensersatz aufgrund von Diskriminierung und Belästigung i.S.d. AGG sowie von Mobbing wegen der ethnischen Herkunft und der Schwerbehinderung durch Verhalten von Kollegen und Vorgesetzten, dass dem Arbeitgeber zuzurechnen sei. Diskriminierung [ethnische Herkunft, Schwerbehinderung]. Begriff des “Mobbing„
Leitsatz (redaktionell)
1. Auf vor seinem Inkrafttreten begangene Diskriminierungshandlungen findet das AGG keine Anwendung (§ 33 Abs. 1 AGG).
2. Die gesetzliche Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG ist mit höherrangigem Recht, insbesondere mit der Richtlinie des Rates 2000/43/EG vom 29.06.2000 sowie der Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 vereinbar.
3. a) Mobbing ist das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.
b) Die rechtliche Besonderheit der als Mobbing bezeichneten tatsächlichen Erscheinungen liegt darin, dass nicht eine einzelne abgrenzbare Handlung, sondern die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte in einem Prozess zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechtes oder der Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers führen kann, wobei die einzelnen Teilakte jeweils für sich betrachtet rechtlich wiederum “neutral„ sein können.
c) Zu berücksichtigen ist dabei, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, nicht geeignet sind, derartige rechtliche Tatbestände zu erfüllen.
d) Ferner kann es an der für die Verletzungshandlung erforderlichen Systematik fehlen, wenn zwischen den einzelnen Teilakten lange zeitliche Zwischenräume liegen.
e) Der Anspruchsteller muss insoweit auch die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und mobbingbedingter Krankheit nachweisen; eine Vermutungswirkung in dem Sinne, dass bei einer mobbingtypischen Erkrankung auf das Bestehen von Mobbing geschlossen werden kann, ist nicht anzunehmen.
Normenkette
BGB §§ 278, 823 Abs. 1, § 253 Abs. 3, § 280; AGG § 15 Abs. 1-2, 4; Richtlinie 2000/43/EG Fassung: 2000-06-29; Richtlinie 2000/78/EG Fassung: 2000-11-27
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 14.10.2009; Aktenzeichen 15 Ca 6777/08) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Oktober 2009 - 15 Ca 6777/08 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche wegen Diskriminierungs- und Mobbinghandlungen von Mitarbeitern der Beklagten gegenüber dem Kläger.
Die Beklagte, die ihren Sitz in A hat, entwickelt, produziert und liefert als Teil eines internationalen Konzerns Produkte, Systeme und Dienstleistungen für die Übertragung und Verteilung von elektrischer Energie, z. B. Transformatoren. An acht Produktions- und 26 Vertriebsstandorten beschäftigt sie insgesamt 2.800 Mitarbeiter.
Der am ... geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger schloss im Jahre 1990 ein Studium der Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik ab und steht seit dem 1.03.1992 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen in der Niederlassung C. Auf das Arbeitsverhältnis findet der einheitliche B Anwendung. Der Kläger war zunächst als Systemanalytiker (Arbeitsvertrag v. 29.01.1992, Bl. 337 d.A.) beschäftigt. Im Jahre 1994 beabsichtigte die Rechtsvorgängerin zunächst, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aus betriebsbedingten Gründen aufzukündigen und schloss mit ihm am 14.06.1994 einen Aufhebungsvertrag zum 30.09.1994 ab (Bl. 361 d.A.). Kurz danach ergab sich die Möglichkeit der weiteren Beschäftigung des Klägers als Sachbearbeiter in der Abteilung "Versand Transformatoren". Diese Tätigkeit führte er ab dem 1.08.1994 (Bl. 364) aus, bis er zum 1.04.2001 die Position als Leiter der Abteilung "Versand und Fakturierung", die seit 2006 Abteilung "Versand" heißt, übernahm. Der Kläger ist in die Entgeltgruppe (EG) 13 ERA eingruppiert. Zusätzlich nahm er ab dem 10.04.2001 bis Mitte 2007 auch die Aufgaben als Exportkontrollbeauftragter sowie als Gefahrgutbeauftragter wahr. Für diese Zusatzfunktionen erhielt er ab Januar 2007 eine Pauschale von je € 50,00 pro Monat. Sein Jahresgehalt betrug zuletzt € 65.00,000 brutto.
Im Betrieb in C beschäftigte die Beklagte im Jahre 2008 insgesamt 419 Mitarbeiter. Darunter waren insgesamt 49 Ausländer und weitere 39 Mitarbeiter, die die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben. Das ergab in der Summe 21 % der Belegschaft mit einem Migrationshintergrund. Der Anteil schwerbehinderter Mitarbeiter an der Belegschaft lag zur selben Zeit bei 6,44 %. Der Kläger ist d Herkunft. Im Jahre 2002 wurde er rückwirkend zum 15.01.1999 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von zunächst 50, seit dem 15.11.2007 mit einem GdB von 70 anerkannt. Seit 1999 kam es zu wiede...