keine Angaben zur Anfechtbarkeit

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltungsbereich. Bautarifvertrag. Kanalsanierung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Betrieb, von dem durch sog. Partliner Kanalrohrsanierungen durchgeführt werden, fällt unter den betrieblichen Geltungsbereich der Bautarifverträge

 

Normenkette

TVG 1; VTV/Bau 1 II

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 04.07.2007; Aktenzeichen 7 Ca 2556/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.07.2010; Aktenzeichen 10 AZR 781/08)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 4. Juli 2007 – 7 Ca 2556/06 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungsverpflichtungen des Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Januar 2003 bis November 2004 sowie Januar bis Oktober 2005.

Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Der Beklagte unterhielt bis jedenfalls Oktober 2006 einen Betrieb, von dem Kanalrohrsysteme überwacht, gereinigt und saniert wurden. Dabei wurden Abwasserkanalrohre mit Hilfe einer in Kanalschächten eingelassenen ferngesteuerten Videokamera auf etwaige Schäden überprüft, verunreinigte Abwasserkanalrohre mit Hochdruckwassergeräten durchspült und von etwaigen Hindernissen befreit, Undichtigkeiten an den Rohren mit einem in das Rohrsystem eingeführten sog. Partliner beseitigt und mit Hilfe eines in den Kanal eingelassenen, mit einem Fräskopf ausgestatteten ferngesteuerten Geräts Einwachsungen und Ablagerungen beseitigt. Zur Winterbauförderung wurde der Beklagte nicht herangezogen.

Die Klägerin hat in zwei vom Arbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtsstreiten die Ansicht vertreten, der Beklagte habe im gesamten Klagezeitraum einen baugewerblichen Betrieb im Sinne der Bautarifverträge unterhalten, weil vom Betrieb des Beklagten in allen Kalenderjahren des Klagezeitraums zu mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Kanalsanierungsarbeiten durchgeführt worden seien und zwar mittels Partlinersystemen in der Form des Abfräsen von in das Abflussrohr hineinragender Teile, des Entfernens von Wurzeleinwuchs und Ablagerungen sowie des Beseitigens sonstiger Abflusshindernisse und der Abdichtung schadhafter Kanalrohre, ferner Kanalinspektionen mittel ferngesteuerter Videokameras und Schadensdokumentation als Vorbereitungstätigkeit zur anschließenden Sanierung. Entsprechend schulde der Beklagte zum einen die sich aus seinen eigenen Beitragsmeldungen ergebenden Sozialkassenbeiträge für den Zeitraum Januar bis November 2004 und Oktober 2005 in Höhe von EUR 105.989,95 für gewerbliche Arbeitnehmer und EUR 1.243,03 für Angestellte. Hinsichtlich der Berechnung des Klägers wird auf dessen Schriftsatz vom 17. November 2006 (Bl. 7 bis 9 d.A.) Bezug genommen. Weiter schulde der Beklagte einen Betrag von EUR 512,92. Dieser ergebe sich daraus, dass der Beklagte ihr für den Zeitraum Januar bis Oktober 2005 geringere Bruttolöhne gemeldet habe als im arbeitnehmerbezogenen Meldeverfahren gegenüber der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse angegeben. Unter Berücksichtigung des tariflichen Beitragssatzes errechne sich eine zusätzliche Beitragsforderung von EUR 512,92. für gewerbliche Arbeitnehmer. Hinsichtlich der Berechnung wird auf die Klageschrift im mitverbundenen Verfahren 7 Ca 189/07 ArbG Wiesbaden (dort Bl. 1 bis 3 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagte zu verurteilen, ihr EUR 107.745,90 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, sein Betrieb sei im Klagezeitraum kein baugewerblicher im tariflichen Sinne gewesen. Reine Sanierungstätigkeiten wie das Ausbessern oder Abdichten schadhafter Rohrleitungssystem hätten weniger als 50% der betrieblichen Tätigkeit ausgemacht. Darüber hinaus handele es sich bei derartigen Arbeiten ohnehin nicht um bauliche im tariflichen Sinne. In jedem Fall verstoße seine Heranziehung zur Beitragszahlung gegen Art. 3 GG, weil ein Großteil seiner Mitbewerber nicht am Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft teilnehme.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 04. Juli 2007 stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 487 bis 59 d.A.) Bezug genommen. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 26. Mai 2008 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Er vertieft seine Ansicht, wonach Sanierungsarbeiten nicht unter die von den Tarifvertragsparteien in den betrieblichen Geltungsbereichsbestimmungen genannten Rohrleitungsbauarbeiten fielen und meint, jedenfalls die Tätigkeiten der Rohr- und Kanalinspektion seien keine baulichen Tätigkeiten, weil es sich dabei um reine Prüfarbeiten handele. Eine Einordnung als Vorbereitungsarbeiten zu Sani...

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