Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Weiterbeschäftigung im Konzern
Leitsatz (redaktionell)
1. Voraussetzung für die Verpflichtung des Arbeitgebers bei einer betriebsbedingten Kündigung zunächst eine Unterbringung des Arbeitnehmers in einem anderen Unternehmens- oder Konzernbetrieb zu versuchen, ist, dass dem Beschäftigungsbetrieb aufgrund einer Abstimmung mit dem beherrschenden Unternehmen oder dem anderen Konzernbetrieb ein bestimmender Einfluss auf die Versetzung eingeräumt worden ist.
2. Die Sozialauswahl ist auf alle vergleichbaren Arbeitnehmer zu erstrecken, die in einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen beschäftigt sind.
3. Für das Mitwirkungsverfahren bei Kündigungen ist grundsätzlich der Betriebsrat des Betriebes zuständig, dem der Arbeitnehmer angehört.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1b, Abs. 3; BetrVG § 102 Abs. 1; GmbHG § 52 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 04.11.2003; Aktenzeichen 5 Ca 12666/02) |
Tenor
Die Berufung der klagenden Partei gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom04. November 2003 – 5 Ca 12666/02 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung der Beklagten.
Diese ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der … (im Folgenden: AG). Mit ihren mehr als 60 Mitarbeitern erstellte die Beklagte Finanzpläne für Privatkunden der AG, die diese zu diesem Zweck an sie verwies. Für die Arbeitnehmer der Beklagten galt aufgrund der Inbezugnahme der Anstellungsbedingungen der AG auch die in deren Ziffer 3 enthaltene Konzernversetzungsklausel mit folgendem Wortlaut:
„Die Bank kann jeden Mitarbeiter an einem anderen seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz innerhalb der Bundesrepublik Deutschland auch bei einem anderen Unternehmen, das dem Commerzbank-Konzern angehört, beschäftigen. Die persönlichen und sozialen Belange des Mitarbeiters sind zu berücksichtigen.”
Das für den Bereich Private Banking zuständige Vorstandsmitglied der AG … war zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrats der Beklagten. Ein Mitgeschäftsführer der Beklagten, Herr … war ebenso wie sein Vorgänger, Herr … daneben zugleich Fachbereichsleiter „Vertrieb Individualkunden” bei der AG in deren Geschäftsfeld Private Kunden. Aus seiner Geschäftsführerfunktion schied Herr … zum 6.12.2002 aus. Auf einer Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 10.12.2002 wurde beschlossen, sie mit Wirkung zum 31.12.2002 aufzulösen. Zur Liquidatorin wurde zunächst die verbliebene damalige alleinige Geschäftsführerin … bestellt (Anlage B 01 zum Beklagtenschriftsatz vom 30.05.2003). Dieser teilte Herr … am 11.12.2002 die Auflösung der Beklagten mit. Wenig später händigte sie allen Mitarbeitern der Beklagten, soweit sie nicht einen Sonderkündigungsschutz genossen, von ihr unterzeichnete und in der Personalabteilung der AG vorbereitete fristgemäße Kündigungen aus. Zu diesen war zuvor der Betriebsrat der AG, den die Arbeitnehmer der Beklagten ebenso wenig wie einen eigenen Betriebsrat (mit-)gewählt hatten, nicht angehört worden.
Seit 01.01.2003 nahm die Beklagte keine Aufträge mehr zur Erstellung von Finanzplänen an. Bis zum 31.03.2003 wurden lediglich noch Restarbeiten abgewickelt. Wegen der seitens der Beklagten vorgenommenen Massenentlassungsanzeige und des entsprechenden Bescheides wird ergänzend auf die Anlagen B 2 und B 3 zum Beklagtenschriftsatz vom 30.05.2003 ergänzend Bezug genommen.
Die von einer der oben genannten Kündigungen betroffene klagende Partei hat diese für sozialwidrig gehalten. Sie hat gemeint, dass zwischen der Beklagten und der AG ein gemeinsamer Betrieb bestanden habe, weshalb eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl hätte vorgenommen werden müssen. Weiter hat sie die Auffassung vertreten, aufgrund der Konzernversetzungsklausel sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Versuch zu unternehmen, ihr bei der AG zu einer Weiterbeschäftigung zu verhelfen. Der entsprechende Einfluss habe aufgrund der durch Herrn … und Herrn … in Personalunion für die Beklagte und die AG ausgeübten Funktionen auch bestanden. Die Erfolgsaussicht eines solchen Versuchs sei zu bejahen, da die AG – insoweit unstreitig – während der laufenden Kündigungsfristen etwa 30 % der gekündigten Mitarbeiter der Beklagten übernommen habe. Schließlich hat die klagende Partei auf den unstreitigen Umstand hingewiesen, dass eine Beteiligung des Gesamtbetriebsrats oder des Betriebsrats der AG an der Kündigung nicht stattgefunden habe.
Sie hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 11. Dezember 2002 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, es habe weder ein gemeinsamer Betrieb zwischen ihr und der AG bestanden, noch habe die Konzernversetzungsklausel die von der klagenden Partei angenommene Verpflichtung ausgelöst. Im Übrigen sei ein Versuch zur Übernahme von Mitarbeitern der Beklagten durc...