Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Gewährung von Ruhezeiten des fliegenden Personals während Urlaubstagen oder wegen Arbeitsreduzierung gewährten freien Tagen. Formularmäßige Vereinbarung des Einbehalts eines monatlichen Betrages des Gehalts zum Zwecke der Ersatzbeschaffung von Dienstkleidung

 

Leitsatz (amtlich)

Ruhezeiten des fliegenden Personals können auch mit Urlaub oder wegen Arbeitszeitreduzierung gewährten freien Tagen zusammentreffen.

Zur Unwirksamkeit von AGB, wonach ein monatlicher Betrag des Gehalts zum Zwecke der Ersatzbeschaffung von Dienstkleidung auf ein sog. "Kleiderkonto" eingestellt und nicht ausgezahlt wird

 

Leitsatz (redaktionell)

Sofern keine ausdrückliche arbeitsvertragliche Regelung besteht, die auch die Höhe des Anspruchs regelt, ist ein Angehöriger des fliegenden Personals der Deutschen Lufthansa nicht verpflichtet, sich mit 50% an dem sogenannten Jahresbudget für die Ersatzbeschaffung von Dienstkleidung zu beteiligen.

 

Normenkette

ArbZG § 5; BGB § 307

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 19.04.2016; Aktenzeichen 24 Ca 9318/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.05.2018; Aktenzeichen 5 AZR 303/17)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 19. April 2016, 24 Ca 9318/15, und die Anschlussberufung der Beklagten werden - soweit der Rechtsstreit nicht durch Teil8Vergleich vom 27. März 2017 erledigt wurde - zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10.

Für die Klägerin wird die Revision zugelassen, für die Beklagte wird sie nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, Ruhezeiten außerhalb von genehmigten Urlaubszeiten oder sog. Teilzeittagen zu planen, sowie um Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit dem Einbehalt von sog. Kleidergeld. Wegen des erstinstanzlich unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 127 bis 132 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Beklagte durch am 19. April 2016 verkündetes Urteil, 24 Ca 9318/15, unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 478,56 € netto nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es, soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt: Der Klageantrag zu 1. sei begründet. Soweit die Beklagte von Januar 2012 bis Dezember 2015 monatlich 9,97 € netto von der Vergütung der Klägerin einbehalten habe, stehe ihr kein entsprechender aufrechenbarer Gegenanspruch zu. Soweit sie sich darauf berufe, gemäß Ziffer 2 des Arbeitsvertrages der Parteien i.V.m. der Regelung in OM-A 14.2.3 zum Abzug des Kleidergeldes berechtigt zu sein, sei die Klausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB unwirksam, da sie die Klägerin unangemessen benachteilige. Die Regelung genüge nicht dem Transparenzgebot. Im Feststellungsantrag (erstinstanzlicher Klageantrag zu 3.) sei die Klage dagegen unbegründet. Die Beklagte könne Ruhezeiten mit Urlaub und Teilzeittagen "verrechnen". Hieran habe sich auch nach Inkrafttreten der VO (EU) Nr. 83/2014 nichts geändert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 133 bis 140 d.A.) verwiesen.

Dieses Urteil wurde beiden Parteien jeweils am 3. Juni 2016 zugestellt. Die Klägerin hat hiergegen am 28. Juni 2016 und die Beklagte hat hiergegen am 29. Juni 2016 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung der Klägerin ist nach aufgrund am 27. Juli 2016 eingegangenen Antrags erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 5. September 2016 am 5. September 2016 eingegangen und wurde der Beklagten am 8. September 2016 zugestellt. Die Berufungsbegründung der Beklagte ist nach aufgrund Antrags vom 27. Juli 2016 erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 4. Oktober 2016 am 4. Oktober 2016 eingegangen.

Die Klägerin hält unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags daran fest, die Beklagte sei nicht befugt, Ruhezeiten mit Urlaubs- oder Teilzeittagen zu verrechnen. Die vom Arbeitsgericht zur Begründung herangezogene Kammerentscheidung (Hess. LAG 1. November 2010 - 17 Sa 968/10) beziehe sich auf die Regelungen im Flugbetriebshandbuch der Beklagten bzw. der EU-OPS 1.1095 Nr. 1.13. Diese Vorschrift sei jedoch nicht mehr geltendes Recht, so dass die im Urteil vom 1. November 2010 aufgestellten Grundsätze nicht herangezogen werden könnten. Denn nach den Regelungen der seit dem 18. Februar 2016 geltenden VO (EU) Nr. 83/2014 sei die Beklagte verpflichtet, die Ruhezeiten der Klägerin als Bestandteil des jeweiligen Umlaufs im Voraus so festzulegen, dass ausreichende Erholungsmöglichkeit bestehe und das Ermüdungsrisiko nicht noch verstärkt, sondern minimiert werde. Ruhezeiten müssten ausdrücklich geplant und festgelegt werden und seien Bestandteil des vom Luftfahrtunternehmer zu planenden Umlaufs. Der Ruhezeitraum umfasse danach den Zeitr...

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