Revision
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Folgen einer Massenentlassungsanzeige, der die Stellungnahme des Betriebsrates erst nachgereicht wird. (Abweichung von KR-Rost, § 18 Randziffern 25, 31 a).
2. Das Urteil 2 AZR 107/88 vom 28.9.1988 AP Nr. 76 zu § 613a BGB schließt die Anwendbarkeit des § 613 a IV BGB nicht für jeden Fall aus, in dem die einzige Kundenbeziehung eines personalüberziehenden Dienstleistungsunternehmens (hier: Flughafenreinigung) wegen Auftragsbeendigung nicht übertragen werden kann. (Revision zugelassen).
Normenkette
KSchG §§ 18, 17; BGB § 613a Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.06.1989; Aktenzeichen 3 Ca 330/88) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/M. von 8. Juni 1989 – 3 Ca 330/88 – abgeändert
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten zu 1) und zu 2) durch deren Kündigung vom 17.11.1989 zum 31.12.1989 nicht aufgelöst worden ist.
Der Feststellungsantrag gegen die Beklagte zu 3) in 2. Instanz wird als unzulässige Klageerweiterung verworfen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten zu 1) und 2) mit Ausnahme der Kosten der Beklagten zu 3), die die Klägerin zu tragen hat.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten zu 1) und zu 2) durch deren Kündigung von 14.11.1988 zum 31.12.1988 wegen Betriebsaufgabe sozial gerechtfertigt aufgelöst oder wegen rechtsgeschäftlicher Betriebsnachfolge ab 01.01.1989 auf die Beklagte zu 3) übergegangen ist.
Die am 20.04.1940 geborene Klägerin ist Türkin, verwitwet, hat zwei Kinder und trat am 07.07.1980 als Reininungskraft in die Dienste der Beklagten zu 1), die sie an Flughafen einsetzte, zuletzt für einen Stundenlohn von DM 10,06 brutto.
Die … vergab für die Zeit vom 01.01.1984 befristet bis zum 31.12.1988 einen Auftrag zur Reinigung des Flughafen-Terminals gemeinsam an die Beklagten zu 1) und zu 2). Der Flughafenbereich Ost und der Frachtbereich waren an zwei andere Reinigungsfirmen vergeben.
Befristet für die Laufzeit dieses Reinigungsauftrages gründeten die Beklagten zu 1) und zu 2) eine Arbeitsgemeinschaft bürgerlichen Rechtes (= …), an der sie zu je 50 % beteiligt waren. Wie in Berufungstermin unstreitig wurde, trat die Beklagte zu 2) den Arbeitsvertrag der Klägerin mit der Beklagten zu 1) bei.
Die … überließ der … Büroräume, geeignete Räume für die Aufnahme von Reinigungsmitteln und Geräten sowie Sozialräume (mit Spinden) zum Umziehen. Die … beschaffte die nötigen Reinigungsgeräte und -mittel sowie das erforderliche Personal auf eigene Rechnung. Sie beschäftigte zuletzt 177 Arbeiterinnen und Arbeiter, davon 34 befristet bis zum 31.12.1988 und darunter 8 Vorarbeiterinnen und Vorarbeiter, einen Nachtschichtleiter, sowie 3 Angestellte, von denen Herr … als „Leiter vor Ort”, Herr … als sein Vertreter und Frau … als Sachbearbeiterin fungierten. Diese 3 Angestellten sorgten für den laufenden Betrieb vor Ort, Herr … war für Einstellungen zuständig, aber nicht für Entlassungen. Entscheidungen darüber sowie Änderungen der Planung im Reinigungsrythmus und ähnliches waren den beiden Geschäftsführern F. und S. vorbehalten. In übrigen hatte die … ihre Buchführungsarbeiten an die … und ihre Personalverwaltung an die …, beide in … gegen Entgelt vergeben, bei denen auch Einstellungsverträge, Abmahnungen, Anhörungsschreiben an den Betriebsrat, die Massenentlassungsanzeige an das Arbeitsamt, Schriftlich ausgefertigt und durch den Personalsachbearbeiter Herrn … in … unterschrieben wurden.
Alle Pkw's und Kleinbusse für Transporte vor Ort wurden von der Firma … Fuhrpark GmbH geleast. An sonstigen Großgeräten hatte die … eine Kehrsaugmaschine zur Reinigung großer Flächen und drei Naß-Schrubbmaschinen von der Firma Fa. … geleast, und zwar für 24 Monate, nach denen der Restwert dieser Geräte noch 25 % des Neuwertes = DM 93.675,– betragen sollte.
Am 22.08.1988 schrieb die … den Anschlußauftrag für die Flughafenreinigung ab 01.01.1989 öffentlich aus. Diese Ausschreibung faßte erstmals alle Bereiche des Flughafens einschließlich Bereich Ost und Frachtbereich zu einem einheitlichen Großauftrag zusammen und wies auch in Leistungsverzeichnis kleine Änderungen auf (z.B. Stühle feucht statt trocken wischen). Um diesen Anschlußauftrag bewarben sich weder die … noch die Beklagten zu 1) oder zu 2) für sich, wohl aber eine – ansässig anwesend Gesellschaft, die – wie die Beklagte zu 1) – zur … selbständiger Gesellschaften zählte, die spätere Beklagte zu 3).
Am 10.11.1988 leitete die … die Anhörung ihres Betriebsrates zur beabsichtigten vorsorglichen Kündigung verschiedener Arbeitnehmer, darunter der Klägerin, zum 31.12.1988, „da der Reinigungsauftrag mit der … zum 31.12.1988 endet” ein. Dieses Schreiben ist von Herrn …, für die … unterschrieben.
Mit an 21.11.1988 eigegangenen Schreiben vom 15.11. zeigte die … dem Arbeitsamt … eine bevorstehende Massenentlassung von 143 Arbeitern an, in der es zur Stellungnahme d...