Entscheidungsstichwort (Thema)
Erdarbeiten für Kabelleitungstiefbauarbeiten im Sinne von VTV nicht erforderlich. Ausreichende Individualisierung von Beitragsforderungen nach ULAK. Rechtmäßigkeit der Verkürzung der Ausschlussfrist für Beitragsforderungen nach VTV von vier auf drei Jahre
Leitsatz (amtlich)
1. Kabelleitungstiefbauarbeiten i.S.d. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV liegen auch dann vor, wenn der Arbeitgeber die Kabel in zuvor selbst verlegte Rohre nur montiert und sonst keine Erdarbeiten erbringt.
2. Eine Beitragsforderung der ULAK ist ausreichend individualisiert, wenn die ULAK die Höhe des Mindestbeitrags benennt und gleichzeitig angibt, wie viele Arbeitnehmer sie - mag dies auch eine wechselnde Anzahl sein - pro Monat der Forderungsberechnung zugrunde legt.
3. Die Wirkungen des SokaSiG endeten nach § 7 Abs. 1 SokaSiG mit Inkrafttreten des neuen VTV vom 28. September 2018, also am 1. Januar 2019.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Tarifvertragspartner die Ausschlussfrist für Beitragsansprüche, die ab dem Jahr 2015 fällig wurden, von vier auf drei Jahre verkürzt haben. Sofern die alte längere Ausschlussfrist noch am Laufen war, handelt es sich um einen Fall einer unechten Rückwirkung, die zulässig ist.
Normenkette
SokaSiG § 7; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; VTV SOKA Bau § 21 Abs. 1 S. 1, § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25, § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12; ZPO § 92 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 09.09.2021; Aktenzeichen 5 Ca 481/20 SK) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 9. September 2021 – 5 Ca 481/20 SK - wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts unter Zurückweisung seiner Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte verurteilt, an den Kläger 168.996,00 EUR (in Worten: Einhundertachtundsechzigtausendneunhundertsechsundneunzig und 0/100 Euro) zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Beklagte zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 33 % und die Beklagte 67 % zu tragen.
Die Revision wird für den Kläger in Bezug auf den Streitgegenstand der Zahlung von Beiträgen in Höhe von 85.668 Euro bzgl. Januar 2018 bis Oktober 2018 zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu dem Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) hat er die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von zuletzt 168.996 Euro in Anspruch genommen. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in dem Zeitraum April 2017 bis Februar 2020 sowie um Beiträge für Angestellte in dem Zeitraum Mai 2017 bis Februar 2020.
Der Kläger hat seine Klageforderung ursprünglich in vier verschiedenen Verfahren anhängig gemacht. Mit Beschluss vom 30. November 2020 sind die ursprünglich getrennten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden (Bl. 9 der Akte). Der Kläger berechnete seine Beitragsforderung für die gewerblichen Arbeitnehmer auf der Grundlage statistischer Durchschnittslöhne und legte dabei zu Grunde, dass pro Monat mindestens ein bzw. zwei gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt waren.
Die Beklagte betrieb in dem streitgegenständlichen Zeitraum 2017 bis 2020 einen Gewerbebetrieb, der sich auf die schlüsselfertige Erstellung von Glasfaserleitungsnetzen spezialisiert hat. Sie nahm dabei auch Planungsaufgaben wahr und holte die erforderlichen Genehmigungen ein. In diesem Rahmen fielen Tiefbauarbeiten wie das Ausheben und anschließende Verschließen von Kabelkanälen an. Des Weiteren nahm sie die Verlegung der Kabel in den vorbereiteten Rohren vor. Darüber hinaus montierte sie die Hausanschlüsse. Sie nahm dabei die erforderlichen Elektroinstallationsarbeiten wahr. Wegen eines beispielhaft zur Akte gereichten Baurahmenvertrags mit der Firma A wird Bezug genommen auf Bl. 179 - 185 der Akte.
Für die Installation der Glasfaserkabel an die Hausanschlüsse wurden die Mitarbeiter der Beklagten durch den Auftraggeber B geschult. Für die Tätigkeiten des Kabelmonteurs wurden u.a. Tief- und Straßenbauer und ungelernte Mitarbeiter beschäftigt.
Teilweise wurden Leitungen auch in sog. Leerrohren verlegt. Dabei wurden Glasfaserkabel durch „Einblasen" mit sog. Pressluftkompressoren über eine Strecke von bis zu drei km in den Rohren verlegt. Zu einem geringeren Teil ist auch das Verlegen von Glasfaserleitungen durch „Schießen von Kopfloch zu Kopfloch" erfolgt; hierbei wurde ein Stahlrohr durch das Erdreich getrieben und das anfallende Material über eine Vorderschnecke im Inneren des Rohres nach außen befördert. In Abhängigkeit von der eingesetzten Technologie ist bei dieser Technologie eine gesteuerte Bohrung - im W...