Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitgeber kann vorsorglich für den Fall, dass eine Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst Urlaub gewähren, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern.

 

Orientierungssatz

1. Der Arbeitgeber kann den Urlaubszeitraum von sich aus bestimmen, wenn der Arbeitnehmer keinen konkreten Urlaubswunsch anmeldet. Macht der Arbeitnehmer keine anderen Urlaubswünsche geltend, ist die (vorsorgliche) Festlegung des Urlaubs auf Zeiten der Kündigungsfrist ordnungsgemäß.

2. Der Arbeitgeber kann den zustehenden Urlaub nicht nur während der Kündigungsfrist gewähren, sondern sogar vorsorglich für den Fall, dass eine Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst, weil dies im wohlverstandenen Eigeninteresse des Arbeitgebers liegt, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern.

3. Es ist unschädlich, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage offen ist, ob der Arbeitgeber Urlaubsentgelt oder Urlaubsanspruch schuldet.

 

Normenkette

BUrlG § 7; BGB §§ 611, 362

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.06.2008; Aktenzeichen 7 Ca 9518/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.05.2011; Aktenzeichen 9 AZR 189/10)

BAG (Beschluss vom 23.02.2010; Aktenzeichen 9 AZN 916/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Juni 2008, 7 Ca 9518/07, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch zweitinstanzlich darüber, ob der Kläger Anspruch auf weitere 4,5, aufgerundet 5 Urlaubstage für das Kalenderjahr 2007 hat, hilfsweise für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Abgeltung nebst Zinszahlung.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Sachverhalts sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 II ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Blatt 43 f der Akte) verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage mit Urteil vom 11.6.2008 abgewiesen, da der Kläger mit Schreiben der Beklagten vom 13.11.2006 Urlaub in natura auch für 2007 erhalten habe; wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Blatt 45 ff der Akte) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Hinsichtlich der für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erheblichen Daten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27.8.2009 (Blatt 91 der Akte) Bezug genommen

Der Kläger hält die Entscheidung für rechtsfehlerhaft. Seine – der Berechnung nach unstreitigen – Forderung stützt er insbesondere darauf, dem Schreiben vom 13.11.2006 könne bei richtiger Anwendung des Gesetzes und Auslegung der Erklärung zur Zeit ihres Zugangs keinesfalls entnommen werden, dass auch der noch nicht entstandene und nicht fällige Urlaub für 2007 erfasst sein sollte. Außerdem, so meint der Kläger, mangele es an einer konkreten Angabe zu den Urlaubstagen, was jedoch – so ergänzend vorgetragen im Termin am 27.8.09 – jedenfalls vor dem Hintergrund der neuesten EuGH-Rechtsprechung im Fall A geboten sei. Wegen der Einzelheiten seiner Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 20.10.2008 Bezug genommen (Blatt 67 ff der Akte).

Der Berufungskläger und Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main – 7 Ca 9518/07 – vom 11.6.2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

ihm 5 Tage (Ersatz-)Urlaub zu gewähren;

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag, an ihn 1.144,05 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Berufungsbeklagte und Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie willigt in die Klageerweiterung nicht ein und verteidigt das angefochtene Urteil, das zutreffend der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folge, da der Kläger wirksam unter Anrechnung seines Urlaubs für das Jahr 2007 freigestellt worden sei. Sie meint, auch in Fällen, in denen der Freistellungszeitraum über die Kalenderjahresgrenze reiche, müsse eine erkennbar unbeschränkte und unwiderrufliche Freistellungserklärung – wie hier – nicht jeweils am 1. Januar wiederholt werden; die wirksame Urlaubsgewährung scheitere auch nicht an der – hier nicht einschlägigen – Rechtsprechung des EuGH und eine Abgeltung von Urlaub scheide schon wegen § 7 IV BUrlG aus.

Wegen der Einzelheiten ihrer Berufungsbeantwortung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 26.11.2008 Bezug genommen (Blatt 79 ff der Akte).

Die nachfolgenden Entscheidungsgründe werden, soweit es geboten ist, auf das Berufungsvorbringen der Parteien im Einzelnen eingehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 I, II, 8 II ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wor...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge