Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung und Mitbestimmungsverfahren nach § 87 BetrVG
Leitsatz (amtlich)
Die Einführung von Schichtarbeit unterliegt gemäß § 87 I Ziff. 2 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates. Die Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens ist Wirksamkeitsvoraussetzung für individualrechtliche Maßnahmen. Spricht der Arbeitgeber gegenüber einer Gruppe von Arbeitnehmern zur Einführung von Schichtarbeit Änderungskündigungen aus, ohne zuvor eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat erzielt zu haben, sind die Kündigungen schon deshalb unwirksam. Die Unwirksamkeit wird nicht dadurch geheilt, daß der Betriebsrat nachträglich der Einführung von Schichtarbeit zustimmt.
Normenkette
KSchG § 2; BetrVG § 87
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.12.1985; Aktenzeichen 11 Ca 243/85) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. Dezember 1985 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt. 11 Ca 243/85 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristgerechten Änderungskündigung.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Metallarbeiterin beschäftigt. Sie war in der Vergangenheit in Normalschicht eingesetzt und arbeitete in der Zeit von 7.00–15.45 Uhr. Unter dem 30. April 1985 sprach die Beklagte eine Änderungskündigung aus. In dem Kündigungsschreiben heißt es:
„Die Auftragslage zwingt uns dazu, daß wir mit Ihrer Abteilung künftig im Zwei-Schicht-Betrieb arbeiten müssen. Obwohl nach unserer Rechtsauffassung der mit Ihnen bestehende Arbeitsvertrag auch ohne eine Änderungskündigung eine anderweitige Verteilung der Arbeitszeit als bisher nach den gesetzlichen Bestimmungen zulässt, möchten wir jedoch rein vorsorglich eine Änderungskündigung dahingehend aussprechen, daß nach Ablauf der Kündigungsfrist Sie auch für den Zwei-Schicht-Betrieb eingesetzt werden können.
Die Kündigungsfrist beträgt in Ihrem Fall 5 Monate Die Änderung Ihres Vertrages wird damit wirksam zum 30. September 1985.
Diese Änderungskündigung betrifft nicht nur Sie persönlich, sondern sämtliche weiblichen gewerblichen Mitarbeiter in der Produktion des Werk Karbens.”
Die Beklagte hatte vor Ausspruch der Kündigung den Betriebsrat angehört. Dieser hatte unter dem 30. April 1985 die Änderungskündigung abgelehnt. In dem Ablehnungsschreiben heißt es u. a.:
„Alle Mitarbeiterinnen haben einen Vertrag über normale Arbeitszeit. Sie sind nicht gewillt in Schichtarbeit überzugehen.
Zudem ist der Betriebsrat der Meinung, daß seit letztem Quartal 84 Aufträge und Arbeitsanfall gleichbleibend stark sind und auch seither ein konstanter Rückstand zu verzeichnen ist”.
Wegen des weiteren Inhalts wird auf die Stellungnahme Bezug genommen.
Am 13. Juli 1985 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebs Vereinbarung 9/85 über Schichtarbeit. Danach wurde auch in der Abteilung der Klägerin Schichtarbeit eingeführt. Die Betriebs Vereinbarung trat zum 22. Juli 1985 in Kraft.
Die Klägerin hat die Kündigung unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen. Sie arbeitet ungeachtet dessen seither ausschließlich in Frühschicht.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Sie hat die Kündigung schon deshalb für rechtswidrig gehalten, weil zum Zeitpunkt ihres Ausspruchs die erforderliche Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG nicht durchgeführt worden sei, die Darüber hinaus hat sie soziale Rechtfertigung auch unter dem Gesichtspunkt der zutreffenden Sozialauswahl in Zweifel gezogen.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. April 1985 nicht aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30. Sept. 1985 fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Änderung der Arbeitszeit sei auch ohne Änderungskündigung möglich, da der Arbeitsvertrag insoweit keine spezielle Regelung enthalte. Die Änderungskündigung sei deshalb auch nur vorsorglich erfolgt. Die Umstellung auf Schichtarbeit sei im übrigen wegen der gesteigerter Aufträge erforderlich. Von der Änderungskündigung seien alle Mitarbeiterinnen in der Abteilung der Klägerin betroffen, soweit sie das 55. Lebensjahr noch nicht erreicht gehabt hätten. Die Grundsätze der Sozialauswahl seien gewahrt. Die Beklagte hat weiterhin die Auffassung vertreten, die bei Ausspruch der Kündigung noch nicht vorliegende Betriebsvereinbarung über die Einführung von Schichtarbeit führe nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Sie habe erst nach Klärung der Rechtmässigkeit der Änderungskündigungen über die Einführung der Schichtarbeit endgültig entscheiden wollen. Solange sie nicht wisse, ob ihr überhaupt Arbeitnehmerinnen für die Wechselschicht zur Verfügung stünden, habe sie sich auch noch, nicht veranlaßt gesehen, im Rahmen des § 87 BetrVG eine Entscheidung über die Einführung von Schichtarbeit zu treffen. Im übrigen h...