Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermächtigung zur Entgegennahme von (weiteren) Kündigungen durch Prozeßvollmacht?
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Prozeßvollmacht gemäß § 81 ZPO ermächtigt auch zu materiell-rechtlichen Willenserklärungen außerhalb des Prozesses, sofern die Erklärungen im Dienste der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung des jeweiligen Rechtsstreites stehen (im Anschluß an BAG Urteil vom 10.08.1977 – 5 AZR 394/76 – AP Nr. 2 zu § 81 ZPO).
2. Dementsprechend kann die Prozeßvollmacht zur Entgegennahme von (weiteren) Kündigungen außerhalb des Prozesses ermächtigen, sofern die Kündigung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im konkreten Prozeß dient. Dies ist anders als beim Streit über die Wirksamkeit einer bestimmten Kündigung mit dem Antrag gemäß § 4 Satz 1 KSchG der Fall, wenn umfassend beantragt ist, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis fortbesteht.
Normenkette
ZPO § 81; BGB §§ 130, 164
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 11.03.1987; Aktenzeichen 5 Ca 282/85) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 11.03.1987 – 5 Ca 282/85 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf DM 7.600,– festgesetzt.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten nunmehr nur noch darum, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch eine Arbeitgeberkündigung vom 15.8. zum 30.9.1985 aufgelöst worden ist.
Der im März 1987 39 Jahre alte Kläger, der verheiratet ist, war seit dem 1.7.1904 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Einkaufsleiter zu einem Bruttomonatsgehalt von 3.800,– DM.
Am 30.4.1935 wies der Geschäftsführer G. der Beklagten den Kläger darauf hin, daß er ihm wegen eines Vorfalls am Vortage (Streit unter Mitarbeitern) kündigen werde.
Darauf erteilte der Kläger am 6.5.1985 seinen nunmehrigen Prozeßbevollmächtigten eine Vollmacht „wegen Kündigung” u.a. „zur Prozeßführung (u.a. nach §§ 81 ff ZPO)” sowie „zur Begründung und Aufhebung von Vertragsverhältnissen und zur Abgabe von einseitigen Willenserklärungen (z.B. Kündigungen)”; für den vollständigen Text der Vollmacht wird Bezug genommen auf die bei den Gerichtsakten befindliche Fotokopie (Bl. 83 d.A.). Gestützt darauf schrieb Herr Rechtsanwalt M. am 7.5.1985 an die Beklagte (vgl. im einzelnen Bl. 81 d.A. = Fotokopie des Schreibens) und bot darin Verhandlungen über eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses an; eine beglaubigte Abschrift der Vollmacht war beigefügt. Unter dem 9.5.1985 schrieb die Beklagte an den Kläger, kündigte eine Kündigung zum 30.6.1985 an für den Fall, daß der Kläger nicht selbst kündigen werde, und fügte ein Zwischenzeugnis gleichen Datums bei. Für den Wortlaut des Schreibens und des Zeugnisses im einzelnen wird Bezug genommen auf die zu den Akten gereichten Fotokopien (Bl. 3–5 d. A.). Mit Schreiben vom 13.5.1985 (Fotokopie Bl. 6 d. A.) erklärte die Beklagte die Kündigung zum 30.6.1985; dieses Schreiben, das die Beklagte per Einschreiben an den Kläger abgesandt hatte, an den Kläger aber nicht ausgeliefert werden konnte, wurde von Kläger trotz Hinterlassens eines postüblichen Benachrichtigungszettels nicht von der Post abgeholt; sein Prozeßbevollmächtigter erhielt jedoch am 14.5.1985 eine nicht unterschriebene Durchschrift.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug die Ansicht vertreten, die Kündigung sei nicht wirksam zugegangen und im übrigen sozial ungerechtfertigt. Er hat daher mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 30.5.1985 – eingegangen beim Arbeitsgericht am 31.5.1985 – unter der Überschrift „Kündigungsschutzklage” Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht.
Im Rahmen der weiterlaufenden Verhandlungen über eine Vertragsauflösung übersandte der Klägervertreter als Anlage zu einem Schreiben vom 12.6.1985 (Bl. 33 d. A.) an die Beklagte dieser eine weitere Vollmacht (Vollmachtsoriginal). Unter dem 18.7.1985 bat der Klägervertreter die Beklagte, künftig nur noch über ihn zu korrespondieren (vgl. Fotokopie dieses Schreibens = Bl. 95 d. A.), nachdem die Beklagte am 10.7.1985 den Kläger direkt angeschrieben hatte.
Mit Schreiben vom 15.8.1985 (Fotokopie Bl. 38 d. A., auf die Bezug genommen wird) kündigte die Beklagte dem Kläger erneut vorsorglich zum 30.9.1985. Sie sandte das Original an den Klägervertreter, der es jedoch mit einem Schreiben vom 28.8.1985 (Fotokopie Bl. 39 d. A.) unter Hinweis darauf, daß er nicht zustellungsbevollmächtigt sei, an die Beklagte zurücksandte.
Die Kündigung vom 15.8.1985 zum 30.9.1985 ist im Rahmen des Rechtsstreits erstmals im Schriftsatz der Klägervertreter vom 3.12.1985 (Bl. 31 d. A.) erwähnt worden.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug auch hinsichtlich der weiteren Kündigung die Auffassung vertreten, daß sie nicht zugegangen sei.
Er hat dementsprechend zunächst an seinem Antrag aus der Klageschrift vom 30.5.1985 festgehalten, und...