Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugang bei Einschreibesendung (Kündigung)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Arbeitnehmer vom Inhalt einer ihm zugesandten Einschreibesendung (Kündigung) aufgrund weiterer Vorkehrungen des Arbeitgebers tatsächliche Kenntnis erlangt, ist seine Berufung darauf, der Inhalt der Einschreibesendung sei ihm nicht zugegangen, jedenfalls dann treuwidrig, wenn er den Zugang dieser per Einschreiben versandten Kündigungserklärung durch Nichtabholen der Sendung während der postalischen Aufbewahrungsfrist selbst vereitelt hatte.

2. Dies gilt erst recht, wenn ihm die Zusendung einer schriftlichen Kündigung mündlich und schriftlich angekündigt war.

3. Ist der gestellte (allgemeine) Feststellungsantrag nicht als Kündigungsschutzantrag i. S. des § 4 Satz 1 KSchG auslegungsfähig, hat andererseits das Arbeitsgericht einen Hinweis nach § 6 Satz 2 KSchG unterlassen, so ist der Rechtsstreit ungeachtet des § 68 ArbGG an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen (Anschluß an: BAG AP Nr. 3 zu § 5 KSchG 1951).

 

Normenkette

BGB §§ 130, 242

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Urteil vom 15.01.1986; Aktenzeichen 5 Ca 282/85)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 15.01.1986 – 5 Ca 282/85 – abgeändert und festgestellt, daß die mit Schreiben der Beklagten vom 13.05.1985 zum 30.06.1985 ausgesprochene Kündigung zugangsrechtlich wirksam war.

Im übrigen wird unter teilweiser Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens der Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Darmstadt zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Sozial Widrigkeit der zum 30.06.1985 ausgesprochenen Kündigung und ferner über die Kosten des Berufungsverfahrens zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den wirksamen Zugang zweier Kündigungsschreiben der Beklagten (vom 13.5.1985 zum 30.6.1985 und vom 15.8.1985 zum 30.9.1985).

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 30.4.1985 wies der Geschäftsführer der Beklagten den dort als Einkaufsleiter tätigen Kläger darauf hin, er werde ihm wegen eines Vorfalls am Vortrag (Streiterei unter Mitarbeitern) kündigen.

Der Kläger erteilte am 6.5.1985 seinem jetzigen Prozeßvertreter auf einem anwaltsüblichen Vordruck wegen „Kündigung” Vollmacht (Bl. 83 d.A.). Eine beglaubigte Ablichtung derselben übersandte der Klägervertreter mit Schreiben vom 7.5.1985 an die Beklagte und bat unter Hinweis auf die von ihr „ins Auge gefaßten Beendigung des Arbeitsverhältnisses”, diesem alsbald ein Zwischenzeugnis zu erteilen und eine Durchschrift desselben dem Klägervertreter direkt zuzuleiten (Bl. 81 d.A.). „Hiernach” könne über eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses verhandelt werden (Bl. 81 d.A.).

Die Beklagte leitete dieses Zeugnis mit Schreiben vom 9.5.1985 dem Kläger zu, versandte eine Durchschrift an den Klägervertreter. Sie wies zugleich darauf hin, sie werde ihrerseits „rechtzeitig” kündigen, wenn nicht der Kläger fristgerecht mit sechswöchiger Ankündigung zum 30.6.1985 kündige (Bl. 19, 20 d.A.).

Per Einschreiben übersandte die Beklagte dem Kläger den Kündigungsbrief vom 13.5.1985 und leitete eine Durchschrift (mit durchgeschriebenem Unterschriftszug des Geschäftsführers der Beklagten) dem Klägervertreter zu (Eingang bei diesem: 14.5.1985, Bl. 6 d.A.).

Der Einschreibebrief konnte dem ab dem 7.5.1985 arbeitsunfähig erkrankten Kläger – was im Berufungsrechtszug unstreitig geworden ist – weder am 14. noch am 15.5.1985 ausgeliefert werden. Am 15.5.1985 hinterließ die Postzustellerin einen Benachrichtigungszettel im Hausbriefkasten des Klägers (Bl. 96 d.A.).

Der nicht abgeholte Einschreibebrief ging am 23.5.1985 an die Beklagte zurück.

Am 31.5.1985 ging die als „Kündigungsschutzklage” uberschriebene Klage mit dem Antrag, festzustellen, daß zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehe, ein.

In der Klagebegründung findet sich u. a. der Satz:

„Soweit das Gericht der Auffassung sein sollte, daß gleichwohl im Schreiben vom 13.5.1985 eine Kündigung zu sehen sein sollte, so ist sie hiermit mitangegriffen” (Bl. 2 d.A.).

Im Anschluß an ein Telefonat der Parteien nach Zustellung der Klage wandte sich der Klägervertreter mit Schreiben vom 12.6.1985 „nach Rücksprache” mit dem Kläger an die Beklagte und übersandte zusammen mit einem Vollmachtsoriginal ein schriftliches Aufhebungsvertragsangebot, wonach u. a. das Arbeitsverhältnis zum 30.6.1985 sein Ende finden und „die Kündigung vom 13.5.1985 erledigt” sein sollte (Bl. 34 d.A.).

Nach weiteren erfolglosen Verhandlungen leitete die Beklagte dann dem Klägervertreter das Original eines weiteren, eine vorsorgliche Kündigung zum 30.9.1985 betreffenden Schreibens vom 15.8.1985 (Bl. 38 d.A.) zu, nachdem der Klägervertreter mit Schreiben vom 18.7.1985 darum gebeten hatte, künftig nur noch über ihn zu korrespondieren (Bl. 95 a.A.). Das Original des Schreibens sandte der Klägervertreter am 28.8.1985 mit dem Hinweis an die Beklagte zurück, er sei nicht „zustellungsbevollmächt...

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