Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf bezahlten Ersatzurlaub. Betriebsbedingte Änderungskündigung. Schmerzensgeld wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Leitsatz (redaktionell)
Verhängt der Arbeitgeber ein Hausverbot gegen einen Arbeitnehmer und hängt die damit verbundene Dienstanweisung an die Pförtner mit Bild des Arbeitnehmers allgemein einsehbar an die Pforte, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Schmerzensgeld.
Normenkette
KSchG § 2; MTV Chemische Industrie Hessen § 14; BGB § 280 Abs. 1, §§ 278, 253 Abs. 2, § 286 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 19.01.2010; Aktenzeichen 3 Ca 401/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 19. Januar 2010 – 3 Ca 401/09 – teilweise abgeändert; auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 19. Januar 2010 – 3 Ca 401/09 – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.000,– EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu einem Vierzigstel und der Kläger zu neununddreißig Vierzigstel zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung, die Zahlung von Schmerzensgeld wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung sowie Schadenersatz für verfallenen Urlaub.
Die Beklagte ist ein Automobilzulieferer und beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet. Der am XXX geborene, verheiratete Kläger ist seit 21. März 1983 bei der Beklagten zuletzt als Gruppenleiter Qualitätsmanagement bei der Beklagten beschäftigt und in Entgeltgruppe 9 Bundesentgelttarifvertrag für die Chemische Industrie eingruppiert. Neben seiner Tarifvergütung von 3.524,00 EUR brutto monatlich erhielt er eine Leistungszulage in Höhe von 332,16 EUR brutto. Hintergrund der Zahlung der Zulage war die Umstellung des Tarifsystems in dem Unternehmen der Beklagten im Jahr 1995. Bis zum damaligen Zeitpunkt fanden die Tarifbestimmungen für die Kautschukindustrie im Land Hessen auf das Unternehmen der Beklagten Anwendung. Im März 1995 wechselte die Beklagte ihre Tarifzugehörigkeit, so dass nunmehr (aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme) die Tarifbestimmungen für die Chemische Industrie zur Anwendung gelangten. Eine tarifgerechte Eingruppierung hätte für den Kläger eine finanzielle Einbuße mit sich gebracht, die mit der gewährten Zulage ausgeglichen wurde. Am 24. Februar 2005 wurde für das Unternehmen der Beklagten ein Standortsicherungsvertrag vereinbart, nach dessen § 5 die übertariflichen Zulagen, Arbeitsplatz- und Ausgleichszulagen sowie Prämien, die bis zum Zeitpunkt der Festlegung der neuen Eingruppierung gewährt werden, mit Abschluss der jeweiligen neuen Eingruppierung, spätestens jedoch mit Ablauf des 31. Mai 2005 ersatzlos wegfallen. Die weiteren Einzelheiten blieben einer Regelung zwischen den Betriebsparteien vorbehalten. Wegen der Einzelheiten des Standortsicherungsvertrags wird auf Blatt 68 der Akten Bezug genommen.
Im April 2004 traf die Beklagte eine unternehmerische Organisationsentscheidung, die zum Wegfall der ursprünglichen Funktion des Klägers als Gruppenleiter in der Abteilung Qualitätsmanagement führte. In der Folgezeit wurde der Kläger nicht beschäftigt. Die Parteien führten verschiedene Rechtsstreite, die nicht zu einer Beendigung oder Änderung ihrer Rechtsbeziehung führten. Nachdem dies rechtskräftig feststand, bot der Kläger Ende September 2008 mehrfach seine Arbeitsleistung der Beklagten an. Weil er deshalb wiederholt das Betriebsgelände der Beklagten betrat, ohne dass diese darüber informiert wurde, verfasste die Personalabteilung eine Dienstanweisung (Blatt 11 der Akten), auf der sich ein Foto des Klägers befindet und derzufolge ihm ab sofort ohne vorherige Rücksprache mit der Personalabteilung kein Zutritt zum Werksgelände mehr gestattet werden darf. Zwischen den Parteien ist streitig, ob diese Dienstanweisung mit Bild und Text nach außen am Pförtnerhaus ausgehängt wurde.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2009 (Blatt 53 bis 57 der Akten) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer ordentlichen Änderungskündigung an. Der Betriebsrat stimmte dieser Maßnahme unter dem 8. Juli 2009 zu. Mit Schreiben vom 13. Juli 2009 (Blatt 16, 17 der Akten) erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Änderungskündigung. Der Kläger nahm diese unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an und wird seit 16. Juli 2009 wieder beschäftigt.
Mit seiner am 24. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist und die Zahlung einer Entschädigung wegen des Aushangs der Dienstanweisung begehrt. Mit Schriftsatz vom 24. November 2009 hat er die ...