Entscheidungsstichwort (Thema)

Er- bzw. Abmahnung. tarifliche Ausschlußfrist. tariflicher Verdienstschutz bei Arbeitsplatzwegfall aus betriebsbedingten Gründen. Tarifliche Ausschlussfrist [§ 14 MTV Chemie]. Tariflicher Verdienstschutz bei Arbeitsplatzwegfall aus betriebsbedingten Gründen [§ 13 MTV Chemie]

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 13 Abschnitt VII MTV Chemie enthält einen Verdienstschutz hinsichtlich der Übertragung einer zu einem geringeren Verdienst führenden Tätigkeit aus Rationalisierungs- oder sonstigen betriebsbedingten Gründen, während § 14 MTV Chemie eine Verdienstsicherung im Alter enthält, womit Fälle altersbedingt verminderter Leistungsfähigkeit gemeint sind.

2. Hinsichtlich der Wahrung der tariflichen Ausschlußfrist des § 17 MTV Chemie beinhaltet die Erhebung einer Änderungsschutzklage nicht zugleich die Geltendmachung des tariflichen Verdienstschutzes nach § 13 Abschnitt VII MTV Chemie. Die tarifliche Leistung ist nicht vom Ausgang des Änderungsschutzverfahrens abhängig.

3. Eine Er- bzw. Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds kommt in Betracht, wenn es seine Arbeitspflicht verletzt. Dies ist der Fall, wenn es sich in Räumen aufhält, für die ein anderer Betriebsrat zuständig ist, sein Tätigwerden also nicht von seiner Betriebsratstätigkeit gedeckt wird.

 

Normenkette

MTV Chemie § 13 Abs. 7, §§ 14, 17

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 11.10.2011; Aktenzeichen 3 Ca 157/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 11. Oktober 2011 - 3 Ca 157/11 - teilweise abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt wurde, die Ermahnung vom 17.12.2010 sowie die Abmahnung vom 12.4.2011 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 11. Oktober 2011 - 3 Ca 157/11 - wird zurückgewiesen.

Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 23 Vierundzwanzigstel und die Beklagte zu einem Vierundzwanzigstel zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer tariflichen Verdienstsicherung sowie um die Entfernung einer Abmahnung und einer Ermahnung aus der Personalakte des Klägers.

Die Beklagte ist ein Automobilzulieferer und Mitglied des Arbeitgeberverbandes Chemie und verwandte Industrien für das Land Hessen e.V. Der am 28. Februar 1955 geborene Kläger ist seit 21. März 1983 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er ist Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie und Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Zwischen den Parteien besteht ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 15./16. Dezember 1986 (Bl. 28 f der Akten).

Im April 2004 traf die Beklagte eine unternehmerische Organisationsentscheidung, die zum Wegfall der ursprünglichen Funktion des Klägers als Gruppenleiter in der Abteilung Qualitätsmanagement führte. In der Folgezeit wurde der Kläger nicht beschäftigt. Die Parteien führten verschiedene Rechtsstreite, die nicht zu einer Beendigung oder Änderung ihrer Rechtsbeziehung führten. Mit Schreiben vom 13. Juli 2009 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung mit Wirkung zum 31. März 2010. Diese beinhaltete den Wegfall der Gruppenleitertätigkeit einhergehend mit einer Herabgruppierung von Entgeltgruppe 9 in Entgeltgruppe 6 sowie den Wegfall einer Ausgleichszulage. Die hiergegen vom Kläger erhobene Änderungsschutzklage wies das Hessische Landesarbeitsgericht rechtskräftig ab (Urteil vom 28. Februar 2011-16 Sa 406/10). In dem Änderungsschutzverfahren hatte der Kläger die Auffassung vertreten, die Wirksamkeit der Änderungskündigung scheitere an § 14 Manteltarifvertrag Chemische Industrie; Insoweit wird auf Bl. 345-347 der Akten Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 1. März 2011 (Bl. 36-39 der Akten) machte der Kläger Differenzvergütungsansprüche zwischen Entgeltgruppe 9 und Entgeltgruppe 6 in Höhe von 786 € brutto monatlich beginnend mit dem Monat Mai 2010 aus § 14 Manteltarifvertrag gegenüber der Beklagten geltend. Diesen Anspruch macht er im vorliegenden Rechtsstreit gerichtlich geltend.

Ferner streiten die Parteien um die Entfernung einer Ermahnung vom 17. Dezember 2010 (Bl. 33 der Akten) und einer Abmahnung vom 12. April 2011 (Bl. 34 der Akten) aus der Personalakte des Klägers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts, Blatt 275-282 der Akten, verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsantrag in Höhe von 786 € brutto nebst Zinsen für den Monat Dezember 2010 aus § 13 Abschnitt VII Manteltarifvertrag Chemie stattgegeben und ihn im Übrigen zurückgewiesen, da die Klagforderung insoweit nach § 17 Nr. 2 Manteltarifvertrag Chemie verfallen sei. Die Klageerhebung gegen die Änderungskündigung beinhalte nicht zugleich die Geltendmachung des...

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