Leitsatz (amtlich)
1. Zur Anfechtung eines Aufhebungsvertrags wegen der Drohung mit mit fristloser Entlassung und Strafanzeige.
2. Zur Auslegung einer allgemeinen Ausgleichsklausel in einem Aufhebungsvertrag.
3. Zur Teilnichtigkeit eines Aufhebungsvertrages wegen sittenwidriger Kommerzialisierung des Verzichts auf eine Strafanzeige durch den Arbeitgeber.
Normenkette
BGB §§ 123, 138, 305
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Urteil vom 30.06.1993; Aktenzeichen 6 Ca 27/93) |
Tenor
Die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 30. Juni 1993 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten der Berufungsinstanz hat der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5 zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anfechtung eines Aufhebungsvertrages sowie über Vergütungsansprüche.
Der Kläger war seit 1982 bei der Beklagten als Anzeigenwerber tätig. Seine durchschnittliche Monatsvergütung aus Gehalt und Provision betrug zuletzt 10.706,93 DM brutto.
Am 20.12.1991 wurde der Kläger von der Beklagten zur Rede gestellt, weil er Schecks der Beklagten über Rabattgutschriften, die für Kunden seines Kollegen … bestimmt waren, auf seinem Privatkonto eingelöst und den Gegenwert von rd. 1.700,– DM seinem Kollegen, … ausgehändigt hatte. Die Beklagte stellte dem Kläger eine fristlose Kündigung und eine Strafanzeige in Aussicht, falls er nicht in den Abschluß eines Aufhebungsvertrages einwillige. Darauf wurde am selben Tage der folgende Aufhebungsvertrag geschlossen:
…
„Beide Parteien vereinbaren die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrages zum 31.12.1991.
Herrn … wird ein Zeugnis übersandt. Von seiner Seite sind alle betrieblichen Unterlagen übergeben.
Mit diesen Regelungen sind alle gegenseitigen Ansprüche der Firma und des Mitarbeiters aus dem Arbeitsverhältnis, gleichgültig auf welchem Rechtsgrunde sie im einzelnen beruhen mögen, vollständig abgegolten. Es bestehen auch keine tatsächlichen Gründe für einen Anspruch des Mitarbeiters auf Krankenlohn.”
Die Parteien vereinbarten außerdem, daß der Kläger ab sofort von der Arbeit freigestellt wurde. Mit Schreiben vom 18.02.1992 (Bl. 33 d. A.) beanstandete der Kläger bei der Beklagten, daß seine Provision für Dezember 1991 noch nicht gezahlt sei.
Unter dem 17.12.1992 focht der Kläger den Aufhebungsvertrag vom 20.12.1991 wegen widerrechtlicher Drohung an und reichte deswegen am 26.01.1993 seine Klage ein.
Der Kläger hat vorgetragen:
Die Drohung mit einer fristlosen Entlassung und einer Strafanzeige sei widerrechtlich gewesen. Sein Verhalten hätte nie eine fristlose Entlassung gerechtfertigt. Verwerflich sei auch, daß ihm die Beklagte vor Abschluß des Aufhebungsvertrages keine Bedenkzeit eingeräumt habe. Ferner habe ihm die Beklagte damals wahrheitswidrig vorgespiegelt, daß er nur bei Abschluß eines Aufhebungsvertrages ohne eine Sperrzeit Arbeitslosengeld beziehen könne. Tatsächlich sei er vom Arbeitsamt mit einer Sperrzeit von 12 Wochen belegt worden.
Da der Aufhebungsvertrag aufgrund der Anfechtung als nichtig anzusehen sei, habe sein Arbeitsverhältnis weiterbestanden und müsse ihm die Beklagte daher sein bisheriges Durchschnittseinkommen für das 1. Quartal 1992 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges bezahlen.
Darüber hinaus schulde ihm die Beklagte noch die Provision für Dezember 1991 in Höhe von 9.659,06 DM zuzüglich 6 % Zinsen für die Zeit vom 01.01. bis 30.11.1992 in Höhe von 571,22 DM.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 20.12.1991 nicht zum 31.12.1991 beendet worden ist,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 43.077,79 DM brutto nebst 13 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 29.01.1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen:
Die Anfechtung sei nicht begründet. Eine widerrechtliche Drohung liege nicht vor. Jeder verständige Arbeitgeber hätte an ihrer Stelle ernsthaft eine fristlose Entlassung erwogen. Sie habe den Kläger nicht zeitlich unter Druck gesetzt. Unstreitig habe der Kläger eine Bedenkzeit von fünf Stunden in Anspruch genommen. Wegen der Sperrzeit habe sie dem Kläger nicht bewußt die Unwahrheit gesagt. Ihr Geschäftsführer sei nicht rechtskundig.
Da der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis beendet habe, könne der Kläger keine Vergütung für die Zeit ab 01.01.1992 verlangen. Wegen der allgemeinen Ausgleichsklausel in dem Aufhebungsvertrag ständen dem Kläger auch keine Ansprüche für 1991 mehr zu. Für die Zeit vom 20. bis 31.12.1991 könne der Kläger schon deshalb keine Provision verlangen, weil er damals unstreitig freigestellt gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage wegen des Provisionsanspruchs des Klägers für die Zeit vom 01.12. bis 19.12.1991 stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 30.06.1993 (Bl. 50–56 d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, soweit sie vor dem Arbeitsgericht verloren haben...