Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinreichend bestimmte Forderung im Mahnantrag gem. § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Abbrucharbeiten als baugewerbliche Tätigkeit. Statistische Durchschnittslöhne als Grundlage der Mindestbeitragsklage der Urlaubskasse des Baugewerbes. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit des SokaSiG
Leitsatz (amtlich)
1. Die ULAK ist grundsätzlich berechtigt, mit einer Formularbegründung in den Mahnbescheiden den prozessualen Anspruch zu begründen. Dabei ist der Anspruch ausreichend individualisiert i.S.d. § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, wenn die Berechnung des insgesamt geforderten Sozialkassenbeitrags nachvollziehbar ist. Die Anzahl der monatlich zugrunde gelegten Arbeitnehmer und deren Namen stellt für den eigentlichen Streitgegenstand, nämlich die Summe der Sozialkassenbeiträge aller Arbeitnehmer pro Monat, grds. nur eine „Berechnungsgröße“ dar.
2. Solange der Bauarbeitgeber keine tariflichen Meldungen abgegeben hat, ist die ULAK berechtigt, eine Mindestbeitragsklage gestützt auf die statistischen Durchschnittslöhne in der Baubranche im Prozess zu erheben. Dies gilt im Grundsatz auch dann, falls die ULAK zuvor von dritter Seite, wie etwa Ermittlungsbehörden, Kenntnis zu den angefallenen Bruttolöhnen erlangt hat. Ob sie diese für ausreichend belastbar halten durfte, ist eine Frage des Einzelfalls.
3. Das SokaSiG ist wirksam und bringt gegenüber der Allgemeinverbindlicherklärung keinen neuen Streitgegenstand.
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Voraussetzungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist erforderlich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Es gelten insoweit dieselben Grundsätze wie für die Bestimmtheit des Klageantrags i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
2. Ein Abbruchbetrieb, der nicht Mitglied in einem Fachverband ist, unterfällt mit Durchbrucharbeiten, Betonbohr- und -sägearbeiten sowie reinen Abbrucharbeiten dem Sozialkassenverfahren des Baugewerbes.
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 29; SokaSiG § 7; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs. 1 Nr. 3; GG Art. 100 Abs. 1; BGB § 119 Abs. 1 Nr. 1, § 242; ZPO § 138 Abs. 2, § 167; TVG § 5 Abs. 4; VTV § 6 Abs. 1 Fassung: 2009-12-18, § 24 Abs. 4 Fassung: 2009-12-18
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 01.02.2017; Aktenzeichen 11 Ca 455/16) |
Nachgehend
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 20. Juli 2018 wird aufrecht erhalten.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten, Beiträge zum Sozialkassenverfahren des Baugewerbes zu entrichten.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, i.V.m. dem Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz (SokaSiG) begehrt er von der Beklagten Zahlung von Beiträgen in Höhe von 16.661 Euro. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer sowie für Angestellte in dem Zeitraum Dezember 2010 bis Dezember 2011. Der Kläger hat dabei im Rahmen einer sog. Mindestbeitragsklage zugrunde gelegt, dass monatlich zwei gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt waren. Ferner hat er für den gleichen Zeitraum Festbeiträge für jeweils einen Angestellten eingefordert.
Die Beitragsansprüche wurden mit Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids geltend gemacht, der im Dezember 2015 beim Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangen ist. Am 1. März 2016 wurde der Mahnbescheid erlassen und am 3. März 2016 zugestellt.
Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Zeitraum fast ausschließlich Abbrucharbeiten erbracht. Es wurde mit Kernbohrgeräten, diamantbestückten Sägen oder Seilsägen gearbeitet. Es wurden Brücken, Brückenpfeiler, Staumauern, Gebäude usw. abgebrochen. Die Beklagte ist nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes. Im Handelsregister (Bl. 206 der Akte) ist sie mit den folgenden Tätigkeiten eingetragen:
„Betonarbeiten, wie Bohren, Schneiden, Sägen und Entsorgen von Beton und Mauerwerk sowie die technische Beratung in den einzelnen Abbauverfahren“.
Die Beklagte gehörte jedenfalls bis zum Jahr 2013 dem Abbruchgewerbe an. An dem Sozialkassenverfahren nahm sie nicht teil. Bereits im Jahr 1996 hatten die Parteien ausweislich des Schreibens des damaligen anwaltlichen Vertreters vom 23. April 1996 Kontakt, damals ist der Kläger davon ausgegangen, dass Abbruchbetriebe nicht zur Beitragszahlung verpflichtet waren.
Gegen die Beklagte wurde vom Hauptzollamt (HZA) A ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dem Kläger wurde am 9. Juli 2015 Akteneinsicht gewährt. Ein Strafverfahren ist inzwischen eingestellt worden.
Das Bund...