Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltungsbereich der Bautarifverträge. Darlegungs- und Beweislast. Abbruch und Durchbruch
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Beweisantritt ist nur dann ordnungsgemäß, wenn bestimmte Tatsachen angegeben werden, die durch das angeführte Beweismittel bewiesen werden sollen.
2. Streiten die ZVK/Bau und ein Arbeitgeber, der nicht kraft Mitgliedschaft in einem tarifschließenden Bauarbeitgeberverband tarifgebunden ist, in einem Rechtsstreit um Zahlungs- oder Auskunftspflichten nach den Bautarifverträgen darum, ob die vom Arbeitgeberbetrieb durchgeführten Bohr- und Sägearbeiten arbeitszeitlich überwiegend zur Schaffung von Öffnungen für Fenster, Türen oder Versorgungsleitungen (= bauliche Leistungen) durchgeführt worden sind oder ob diese Arbeiten arbeitszeitlich überwiegend erfolgten, um ganze Bauwerke oder Bauwerksteile zu beseitigen (abzubrechen = keine bauliche Leistung i.S.d. Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Bautarifverträge), so kann die Benennung sämtlicher beschäftigter Arbeitnehmer als Zeugen durch die ZVK/Bau ein tauglicher Beweisantritt sein. Das gilt jedenfalls dann, wenn gleichzeitig behauptet wird, den als Zeugen genannten Arbeitnehmern sei der Zweck ihrer Arbeiten bekannt gewesen (Klarstellung zu Kammerurteilen v. 25. Januar 2001 – 16 Sa 1559/00 und v. 10. November 1997 – 16 Sa 476/97, Abgrenzung zu HessLAG 20. August 2001 –10 Sa 1739/00).
Normenkette
TVG TVe: Bau § 1; VTV/Bau § 1 Abs. 2; TVG § 5; ZPO §§ 138, 284
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 11.02.2004; Aktenzeichen 3 Ca 2755/03) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungs- und Auskunftsverpflichtungen des Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Januar bis Oktober 2003.
Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Der Beklagte, der nicht Mitglied in einem der tarifvertragschließenden Verbände des Baugewerbes ist, unterhält einen Betrieb, von dem Bohr- und Sägearbeiten durchgeführt werden. Im Kalenderjahr 2003 beschäftigte er als Arbeitnehmer den Zeugen …
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe im Kalenderjahr 2003 und damit auch im Klagezeitraum einen baugewerblichen Betrieb im Sinne der Bautarifverträge unterhalten, weil durch den einzigen beschäftigten Arbeitnehmer zu mehr als 50 % von dessen Arbeitszeit Durchbrucharbeiten in der Form des Hineinsägens bzw. Hineinbohrens von Öffnungen in Decken und Wände für Versorgungsleitungen, zur Schaffung von Türöffnungen und Fensteröffnungen durchgeführt und zudem Isolierarbeiten am Mauerwerk gegen aufsteigende Feuchtigkeit, in der Form des horizontalen Aufsägens des von Feuchtigkeit befallenen Mauerwerks und des Einsetzens einer unverrückbaren und für Feuchtigkeit undurchdringlichen Kunststoffplatte in den Mauerschnitt und anschließendes Verputzen der Schnittfuge durchgeführt habe. Bei den Durchbrucharbeiten seien Wände und Decken in ihrer Substanz und Funktion erhalten geblieben. Entsprechend sei der Beklagte zum einen zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für den Monat Februar 2003 in der von ihm selbst mitgeteilten Höhe, zum anderen für die Monate Januar, sowie März bis Oktober 2003 zur Erteilung der tarifvertraglich geschuldeten Auskünfte verpflichtet.
Der Kläger hat beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an ihn EUR 325,22 zu zahlen;
den Beklagten zu verurteilen, ihm auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
wie viel gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) Versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten
Januar 2003,
März 2003 bis Oktober 2003
in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind;
- für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen: EUR 2.350,00.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, sein Betrieb werde von der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Bautarifverträge nicht erfasst. Isolierarbeiten in der vom Kläger geschilderten Form habe er im Jahre 2003 überhaupt nicht ausgeführt, der Umstand, dass derartige Arbeiten in seinem Internetauftritt angeführt seien, erkläre sich daraus, dass er mit der Durchführung derartiger Arbeiten werbe. Tatsächlich habe er im Kalenderjahr 2003 zu mehr als 75 % der gesamtbetrieblichen Arbeitszeit Teilbrucharbeiten mit Diamant- und Hydraulikgeräten durchgeführt und dabei vollständige Bauteile, Decken, Wände, Fahrstuhlschächte, Balkone und Böden vollständig beseitigt. Im Übrigen sei der Klägervortrag unschlüssig und das Beweisangebot unzulässig.
Das Arbeitsgericht hat mit seinem am 11. Februar 2004 verkündeten Urteil die Klage mit...