Entscheidungsstichwort (Thema)

Drei-Wochen-Frist zur Klageerhebung gegen eine außerordentliche Kündigung. Zwei-Wochen-Frist zum Ausspruch einer schriftlichen außerordentlichen Kündigung. Wissenszurechnung von Kündigungssachverhalten bei zwei kündigungsberechtigten Körperschaften des öffentlichen Rechts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 13 Abs. 1 KSchG kann die Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden. Danach muss eine Klage gegen eine außerordentliche Kündigung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben werden.

2. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt.

3. Wird in einer Vereinbarung der Kreis der Kündigungsberechtigten erweitert - wie dies im Entscheidungsfall in einem Klinikum der Fall war -, müssen sich beide Kündigungsberechtigte wechselseitig ihr Wissen zurechnen lassen, welches zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigende Sachverhalte betrifft. Es liegt dann an ihnen, eine Organisationsstruktur zu schaffen, welche die Weitergabe und den Austausch entsprechender Informationen rechtzeitig gewährleistet. Versäumt ein Kündigungsberechtigter die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB, ist dies dem anderen Kündigungsberechtigten anzulasten, auch wenn aus seiner Sicht die Frist noch einzuhalten wäre.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 2; KSchG § 13 Abs. 1, § 4 S. 1; HPVG § 98 Abs. 1; UniklinikG §§ 15, 22 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.09.2018; Aktenzeichen 25 Ca 202/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.02.2020; Aktenzeichen 2 AZR 570/19)

 

Tenor

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten zu 1. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2018 – 25 Ca 202/18 – werden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außerordentlichen Kosten des Klägers für die Berufung tragen der Kläger und die Beklagte zu 1.) je zur Hälfte.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) für die Berufung trägt diese selbst.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2.) für die Berufung trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, deren Umdeutung in eine ordentliche Kündigung sowie Weiterbeschäftigung.

Der am xx. xx 1976 geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war zuletzt auf der Grundlage des mit der Beklagten zu 1. geschlossenen Arbeitsvertrags vom 18. August 2011 (BI. 9 f. d. A.) sowie des Änderungsvertrags vom 26. März 2015 (Bl. 11 d. A.) seit dem 1. September 2006 zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 15.548,02 bei der Beklagten zu 2. als Arzt, Wissenschaftler und Doktorvater tätig.

Mit Antrag vom 20. Februar 2017 (Bl. 262 d. A.) beantragte die Beklagte zu 1. die Gewährung einer Bundeszuwendung auf Ausgabenbasis, welche mit Zuwendungsbescheid vom 18. Mai 2017 (Bl. 263 ff. d. A.) vom „Projektträger A“ in Höhe von € 119.248,80 bewilligt wurde. Unter „Projektleitung“ wird der Name des Klägers genannt. Das damit zu finanzierende Studienprojekt erhielt die Bezeichnung „B“. Laut Projektbeschreibung ist die Konzeption und Durchführung einer klinischen Studie mit Patienten vorgesehen. Am 29. Februar 2017 stellte der Kläger einen Antrag auf Eröffnung eines Drittmittelauftrages (Bl. 274 f. d. A.), der ihm bewilligt wurde. In der Folge wurde ein Drittmittelkonto in SAP angelegt.

Mit dem Großteil der Drittmittel aus diesem Projekt wurden drei Rechnungen der Firma C vom 19. Juli 2017 (Bl. 79 d. A.), vom 11. August 2017 (Bl. 85 d. A.) und vom 25. September 2017 (Bl. 82 d. A.) in Höhe von insgesamt € 99.055,00 beglichen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger in diesem Zusammenhang veruntreuend tätig geworden ist. Unter derselben Adresse wie die Firma von Herrn C ist jedenfalls eine Firma ansässig, als deren Berater der Kläger fungiert.

Mit Beschluss des Klinikvorstands der Beklagten zu 2. vom 22. August 2017 (Bl. 12 d. A.) wurde der Kläger zum ständigen Stellvertreter für die Klinik der Nuklearmedizin benannt. Mit Schreiben der Beklagten zu 2. vom 14. September 2017 (Bl. 13 d. A.) wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Bestellung zum 1....

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