Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltungsbereich der Bautarifverträge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mit der Bestimmung des § 1 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV/Bau), wonach der Tarifvertrag für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gilt, haben die Tarifvertragsparteien ihr Tarifwerk auf die Arbeitsverhältnisse beschränkt, die in der Bundesrepublik Deutschland abgewickelt werden.

2. Auskunfts- und Zahlungsverpflichtungen des baugewerblichen Arbeitgebers gegenüber der ZVK/Bau nach dem VTV/Bau entstehen nur für Arbeitnehmer; deren Arbeitsverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden.

3. Zu den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Arbeitsverhältnissen gehören auch solche, bei denen der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung vorübergehend im Ausland erbringt. Nicht hierzu zählen dagegen Arbeitsverhältnisse, die sich vertraglich ausschließlich auf den Auslandseinsatz beschränken („reine Auslandsarbeitsverhältnisse”); bezüglich derartiger Arbeitnehmer treffen den baugewerblichen Arbeitgeber keine Leistungsverpflichtungen gegenüber der ZVK/Bau.

4. Werden bei „reinen Auslandsarbeitsverhältnissen” die arbeitsvertraglichen Beziehungen vertraglich deutschem Recht unterstellt, so führt allein das nicht zur Begründung von Leistungsverpflichtungen des baugewerblichen Arbeitgebers gegenüber der ZVK/Bau, weil durch die Rechtswahl der Geltungsbereich des VTV/Bau nicht verändert wird. Ob durch ausdrückliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Geltung des VTV/Bau Leistungsverpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber der ZVK/Bau begründet werden können, bleibt offen.

 

Normenkette

Tarifverträge: Bau § 1; VTV/Bau v. 12.11.1986 § 1 Abs. 1; EGBGB Art. 30

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 10.03.1992; Aktenzeichen 8 Ca 488/91)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 10. März 1992 – 8 Ca 488/91 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungs- und Auskunftsverpflichtungen der Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes.

Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die mit dem Maurerhandwerk in die Handwerksrolle eingetragene Beklagte wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 15. Februar 1990 gegründet und am 15. Mai 1990 mit dem Unternehmensgegenstand „Durchführung von Bauarbeiten aller Art und damit zusammenhängenden Geschäften” ins Handelsregister eingetragen. In der Zeit von Februar 1990 bis März 1991 bestand die betriebliche Tätigkeit der Beklagten ausschließlich darin, in Moskau (damals Sowjetunion, heute Rußland) die räumlichen und baulichen Voraussetzungen (Maurerarbeiten, Heizungs- und sonstige Installationsarbeiten, Schlosser- und Schreinerarbeiten) für einen Kasinobetrieb der Firma … zu schaffen. Zu diesem Zweck beschäftigte die Beklagte unter anderem deutsche Arbeitnehmer, die ausschließlich in Moskau tätig waren. Die schriftlichen Arbeitsverträge dieser deutschen Arbeitnehmer hatten u.a. folgenden Inhalt:

1. Das Arbeitsverhältnis wird für die Arbeit auf der Baustelle in Moskau/für die Erledigung folgender Arbeiten, d.h. alle auf der Baustelle anfallende Arbeiten, einschl. Mehrarbeit eingegangen.

Das Arbeitsverhältnis endet, wenn die in Satz 1 bezeichneten Arbeiten ausgeführt sind, ohne daß es einer Kündigung bedarf. Der Arbeitgeber wird den Arbeitnehmer 2 Wochen vorher vom Auslaufen des Arbeitsverhältnisses benachrichtigen.

4. Für die im Vertrag vorgesehene Tätigkeit erhält der Arbeitnehmer einen Stundenlohn in Höhe von DM 16,70 brutto, plus 70 % Auslandszuschlag, plus 20 % Überstundenzuschlag auf DM 16,70 brutto. Die Brutto/Nettoberechnung erfolgt nach Vorschriften der BRD.

5. Der Arbeitnehmer wird im Rahmen des in Nr. 2 Satz 1 bezeichneten Vertragszwecks mit folgenden Arbeiten beschäftigt werden: alle erforderlichen Um- und Ausbauarbeiten auf der Baustelle in Moskau.

Dem Arbeitgeber ist es vorbehalten, dem Arbeitnehmer jederzeit eine andere Tätigkeit zuzuweisen. In diesem Fall verbleibt es bei der in Nr. 1 des Vertrages vorgesehenen Beendigung des Vertrages.

8. Im übrigen gelten, auch für etwaige Urlaubsansprüche, die gesetzlichen Bestimmungen.

Im übrigen wird hinsichtlich des genauen Inhalts der Arbeitsverträge auf Bl. 135/136 d.A. Bezug genommen. Nach Fertigstellung der Objekte in Moskau im März 1991 ruhte die betriebliche Tätigkeit der Beklagten.

Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagte in ursprünglich zwei getrennten, vom Arbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtsstreiten nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes einmal auf Zahlung von Beiträgen für die beschäftigten deutschen gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten für den Zeitraum Februar bis Dezember 1990, zum anderen für den Zeitrau...

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