Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Vereinbarung zur wöchentlichen Stundenzahl bei geringfügiger Beschäftigung. Beschränkung des Gerichts bei Feststellung der wöchentlichen Stundenzahl durch Arbeitszeitgesetz. Grundlage für Vergütung von Tätigkeiten in Teilzeitbeschäftigung
Leitsatz (redaktionell)
1. § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG ist keine Anspruchsgrundlage für Vergütungsansprüche.
2. Das Gericht ersetzt die fehlende vertragliche Vereinbarung der Parteien und ist bei seiner Entscheidung zur wöchentlichen Stundenzahl an das Arbeitszeitgesetz gebunden.
Normenkette
TzBfG § 12 Abs. 1 S. 3; BGB §§ 611a, 615; ArbZG § 3
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 22.07.2020; Aktenzeichen 15 Ca 7896/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juli 2020 – 15 Ca 7896/19 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.457,70 EUR (in Worten: Eintausendvierhundertsiebenundfünfzig und 70/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über den Basiszinssatz aus jeweils 485,90 EUR (in Worten: Vierhundertfünfundachtzig und 90/100 Euro) seit 16. April 2020, 16. Mai 2020 und 16. Juni 2020 zu zahlen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juni 2020 – 15 Ca 7896/19 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Berufungen der Parteien werden im Übrigen zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 87 % und die Beklagte 13 % zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger eine Vergütung für eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich gemäß § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG schuldet.
Der Kläger war bei der Beklagten ausweislich des Arbeitsvertrages vom 31. August 2018 (Bl. 5 d. A.) sowie der Verlängerungsvereinbarung vom 14. August 2019 (Bl. 11 d. A.) im Rahmen einer befristeten geringfügigen Beschäftigung bis zum 31. August 2020 als Servicemitarbeiter angestellt. Der Arbeitsvertrag ist überschrieben mit „ARBEITSVERTRAG – geringfügig“. Im Hinblick auf die Einteilung der Arbeitszeit sieht der Arbeitsvertrag unter Ziffer 4 vor, dass sich die Arbeitszeit nach den betrieblichen Arbeitszeiten richtet. Ausweislich Ziffer 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Mantelrahmentarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland (MRTV) in der Fassung vom 30. August 2011. Der MRTV enthält unter § 6 Abs. 6 folgende Regelung:
„Bei Arbeit auf Abruf hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Lage seiner Arbeitszeit in der Regel mindestens zwei Tage im Voraus mitzuteilen. Auf betrieblicher Basis können die Betriebsparteien hiervon abweichende Regelungen vereinbaren.“
Im Jahr 2019 belief sich der Stundenlohn des Klägers auf 10,20 EUR und im Jahr 2020 auf 10,75 EUR.
Der Kläger geht neben dem vorliegenden Arbeitsverhältnis einer Vollzeitbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber nach.
Der Kläger war ausweislich der vorgelegten Entgeltabrechnungen (Bl. 15 – 18 d. A., Bl. 30, 31, 35 u. Bl. 58 d. A.) inklusive Lohnfortzahlung und Urlaub beschäftigt:
Mai 2019 |
53,28 Stunden |
Juni 2019 |
26,75 Stunden |
Juli 2019 |
3,25 Stunden + 7,03 Stunden Urlaub |
August 2019 |
0 Stunden |
September 2019 |
9 Stunden |
Oktober 2019 |
44,11 Stunden |
November 2019 |
44,11 Stunden |
Dezember 2019 |
32 Stunden + 6,58 Stunden Urlaub |
Januar 2020 |
30,25 Stunden +12,23 Stunden |
Februar 2020 |
34 Stunden + 17 Stunden Urlaub |
Nach einer Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 07. Februar 2020 zum 29. Februar 2020, deren Rechtsunwirksamkeit im Kündigungsschutzverfahren festgestellt wurde, war der Kläger im Juni 2020 22 Stunden, im Juli 2020 16 Stunden und 2,62 Stunden Lohnfortzahlung und im August 2020 26,50 Stunden für die Beklagte wieder tätig (vgl. Entgeltabrechnungen, Bl. 177 – 180 d. A.).
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf eine Vergütung von 20 Stunden pro Woche gemäß § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG. Für die Zeit Mai 2019 bis Februar 2020 macht er weitere Vergütung in Höhe von 6.130,31 EUR und für die Zeit März 2020 bis August 2020 in Höhe von 5.085,70 EUR geltend.
Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil vom 10. Juni 2020 über den Zeitraum Mai 2019 bis Februar 2020 und mit Schlussurteil vom 22. Juli 2020 über den Zeitraum März und April 2020 entschieden. Es hat angenommen, die Parteien hätten konkludent eine Arbeitszeit vereinbart, so dass ein Rückgriff auf § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG ausscheide. Auf Basis der geringfügigen Beschäftigung und dem jeweiligen Stundenlohn ergebe sich eine Höchstarbeitszeit. Differenzlohnansprüche hat das Arbeitsgericht auf der Basis von 450 EUR für den Zeitraum Mai 2019 bis Februar 2020 bzw. für März und August 2020 zugesprochen.
Gegen die Urteile des Arbeitsgerichtes haben beide Parteien innerhalb der zu Protokoll der Berufungsverhandlung vom 31. März 2021 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt. Die Berufungsverfahren wurden gemäß § 147 ZPO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verb...