Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des SokaSiG. Teilnahme eines mobile Bühnen bauenden Unternehmens am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe
Leitsatz (amtlich)
1. Die in dem SokaSiG II enthaltene Rückwirkung ist zulässig (Anschluss an Hess. LAG 2. Juni 2017 - 10 Sa 907/16 - NZA-RR 2017, 485 n.rkr. zum Baugewerbe).
2. Der Bau von mobilen Bühnen fällt unter den fachlichen Geltungsbereich des VTV-Gerüstbau (Anschluss an BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 629/11).
Normenkette
SokaSiG § 15; VTV-Gerüstbau § 14
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 01.02.2018; Aktenzeichen 1 Ca 452/17) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 1. Februar 2018 - 1 Ca 452/177 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren des Gerüstbaugewerbes.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Gerüstbaugewerbe. Er zieht als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Gerüstbaugewerbe vom 20. Januar 1994 i.d.F. des Änderungstarifvertrags vom 11. Juni 2002 (im Folgenden: VTV-Gerüstbau) Sozialkassenbeiträge zur Finanzierung des Sozialkassenverfahrens im Gerüstbau ein.
Auf der Grundlage dieses Tarifvertrags begehrt er von der Beklagten Zahlung von Sozialkassenbeiträgen in Höhe 120.684,72 Euro. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte für den Zeitraum Januar 2011 bis Dezember 2011. Der Kläger legte seiner Berechnung zugrunde, dass die Beklagte mindestens 21 gewerbliche Arbeitnehmer und 23 technische bzw. kaufmännische Angestellte beschäftigte.
Der VTV-Gerüstbau enthält u.a. folgende Regelungen zum Geltungsbereich:
"§ 1 Geltungsbereich
Räumlicher Geltungsbereich:
Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Landes Berlin.
Betrieblicher Geltungsbereich:
Abschnitt I
Betriebe des Gerüstbauerhandwerks. Das sind alle Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeit geprägten Zweckbestimmung mit eigenem oder fremdem Material gewerblich Gerüste erstellen. Erfasst werden auch Betriebe, die gewerblich Gerüstmaterial bereitstellen. Als Gerüste gelten alle Arten von Arbeits-, Schutz- und Traggerüsten, Fahrgerüste und Sonderkonstruktionen der Rüsttechnik. Erfasst werden auch solche Betriebe, die im Rahmen eines mit Betrieben des Gerüstbauerhandwerks bestehenden Zusammenschlusses - unbeschadet der gewählten Rechtsform - ausschließlich oder überwiegend für die angeschlossenen Betriebe des Gerüstbauerhandwerks die kaufmännische und/oder organisatorische Verwaltung, den Transport von Gerüstmaterial, den Vertrieb, Planungsarbeiten, Laborarbeiten oder Prüfarbeiten übernehmen, soweit diese Betriebe nicht von einem spezielleren Tarifvertrag erfasst werden.
Abschnitt II
Betriebe, soweit in ihnen die unter Abschnitt I beschriebenen Leistungen überwiegend erbracht werden, fallen grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. ...
Abschnitt III
Nicht erfasst werden Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die als Betriebe des Baugewerbes durch den Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe erfasst werden. Nicht erfasst werden Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen des Maler- und Lackiererhandwerks. Nicht erfasst werden Betriebe, die ausschließlich Hersteller oder Händler sind.
"..."
Die Beklagte, die seit 1986 am Markt tätig ist, plant, erstellt und errichtet Open Air-Bühnen. In der Regel wird zunächst eine Unterkonstruktion erstellt, auf die die Bühne, ggf. Türme etc. aufgebaut werden. Bei dieser Unterkonstruktion kommen standardisierte Bauelemente, u.a. des Herstellers A, zum Einsatz. Auf dem Sockel aufbauend werden Sonderanfertigungen je nach Wunsch der Künstler erstellt. Die Bühnen bestehen aus Stahlbaukonstruktionen, Holz- und Aluminiumelementen. Die Beschallungs- und Lichtanlage sowie die Videosysteme werden von dritten Unternehmen gestellt. Die Bühnen werden von meist international bekannten Künstlern auf Veranstaltungen und Tourneen, die z.T. über mehrere Kontinente gehen, in Anspruch genommen. Sie müssen zu diesem Zweck mehrmals ab- und aufgebaut werden.
Die Beklagte beschäftigt regelmäßig ca. 42 Mitarbeiter. Beschäftigt werden u.a.: Bühnenmeister, Statiker, Bauleiter; Rigger (Höhenarbeiter, der mit dem Auf- und Abbau von Traversen bei Veranstaltungen beschäftigt ist) und Elektriker/Elektroniker. Sie beschäftigt keine Gerüstbauergesellen oder -meister.
Nach einem erstmaligen Probeaufbau einer von der Beklagten erstellten Stahlbau-Sonderkonstruktion wird diese vom TÜV abgenommen und es wird ein Baubuch erstellt. Bei jedem weiteren Aufbau der konkreten Bühne muss diese Bühne nach Fertigstellung des Aufbaus wiederum behördlich abgenommen werden, wobei überprüft wird, ob die Bühne dem Baubuch gemäß aufg...