Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Betriebsübergang. Zurückverweisung. Massenentlassungsanzeige

 

Leitsatz (amtlich)

Bei dem Sonderliquidationsverfahren nach Art. 14 A des griechischen Gesetzes Nr. 3429/2005 handelt es sich um ein Insolvenzverfahren nach Art. 16 Abs. 1 EuInsVO (wie LAG Baden-Württemberg 21. Dezember 2010 – 21 Sa 91/09; LAG München 12. April 2011 – 9 Sa 1234/10).

§ 174 BGB findet auf die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG keine Anwendung (gegen LAG Baden-Württemberg 11. März 2011 – 7 Sa 109/10, LAG Berlin-Brandenburg 27. Mai 2011 – 8 Sa 132/11 u. a.).

Fehlerhafte Massenentlassungsanzeige führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn durch bestandskräftigen Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige bestätigt wurde. Hieran ist auch nach der durch die Rspr. des EuGH (27. Januar 2001 – C-188/03 (Junk)) hervorgerufenen Rechtsprechungsänderung festzuhalten. Das unionsrechtliche und grundrechtliche Effektivitätsprinzip hindert nicht die Bindung der Arbeitsgerichte an eine inzidente Feststellung der Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige durch die Arbeitsverwaltung (gegen LAG Düsseldorf 15. September 2010 – 12 Sa 627/10 und LAG Düsseldorf 10. November 2010 – 12 Sa 1321/10).

 

Orientierungssatz

Teilweise Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 31.10.2011 – 17 Sa 8/11.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 17-18; BGB §§ 174, 177, 180, 613a; InsO § 113

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.09.2010; Aktenzeichen 2 Ca 839/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.12.2012; Aktenzeichen 6 AZR 48/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08. September 2010, 2 Ca 839/10, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie darum, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin infolge Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist.

Wegen des erstinstanzlich unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Klägerin und der Beklagten zu 1) im ersten Rechtszug und der dort zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 266 bis 269 d.A.).

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die erstinstanzlich nur gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage durch am 08. September 2010 verkündetes Urteil, 2 Ca 839/10, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte zu 1) sei für die erstinstanzlichen Anträge die richtige Beklagte, da mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergehe, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein zuständiges Gericht eines Mitgliedsstaats in allen Mitgliedsstaaten anerkannt werde, es sich bei dem Sonderliquidationsverfahren nach Art. 14 A Abs. 1 des A Gesetzes Nr. 3429/2005, hinzugefügt durch Gesetz Nr. 3710/2008, um ein Insolvenzverfahren iSd. Art. 2 lit. a EuInsVO handele und das B Berufungsgericht für die Eröffnung des Verfahrens zuständig gewesen sei, wobei für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf den Arbeitsvertrag und das Arbeitsverhältnis AB Recht Anwendung finde. Die Kündigung der Beklagten zu 1) sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, da die Beklagte zu 1) sich zur Betriebsstilllegung entschlossen habe und diese im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen habe. Die Stilllegungsabsicht der Beklagten zu 1) sei nicht deswegen entfallen, weil der Betrieb auf eine andere Gesellschaft übergegangen sei. Anhaltspunkte für eine Betriebsveräußerung seien in der behaupten Übernahme von Fluggerät und Slots nicht zu erkennen. Der Betrieb einer Fluggesellschaft bestehe nicht nur aus dem fliegerischen Betrieb, wie schon die Beschäftigung der Klägerin am Boden zeige. Übernahme von Personal habe die Klägerin nur unsubstantiiert behauptet. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass die Kündigung „wegen” eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden sei. Die Kündigungsfrist bestimme sich nach § 113 InsO und sei gewahrt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 269 bis 276 d.A.).

Gegen dieses ihr am 01. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Dezember 2010 Berufung eingelegt, diese nach aufgrund Antrags vom 26. Januar 2011 erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 18. März 2011 am 18. März 2011 begründet und die Klage hierbei auf die Beklagte zu 2) erweitert.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, bei dem Sonderliquidationsverfahren nach Art. 14 A des Gesetzes 3429/2005 handele es sich um kein nach der EuInsVO anzuerkennendes Insolvenzverfahren. Sie meint, die Abweichungen dieses Sonderliquidationsverfahrens von dem im A Insolvenzgesetzbuch (in der Folge: InsGB) geregelten „normalen” Insolvenzverfahren seien zu zahlreich und erheblich. Wegen des Vortrags d...

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