Entscheidungsstichwort (Thema)
3/5-Belegung. Datum des Leistungsfalls. Schizoide Persönlichkeitsstörung. Lückenhafte ärztliche Dokumentation. Beweislast
Orientierungssatz
1. Auch wenn die Erwerbsfähigkeit des Klägers in rentenberechtigendem Ausmaß herabgemindert ist, hat er keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da die für einen Rentenanspruch erforderliche Vorversicherungszeit i.S.d. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI letztmals für einen im März 2005 eingetretenen Leistungsfall erfüllt war und für die maßgebliche Zeit bis zum 31. März 2005 das Vorliegen einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung nicht als nachgewiesen angesehen werden kann.
2. Für einen Rentenanspruch wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist entscheidend, dass der Nachweis im Sinne eines Vollbeweises für ein weniger als sechsstündiges bzw. weniger als dreistündiges Leistungsvermögen erbracht ist.
3. Ein GdB spielt bei der Beurteilung von Erwerbsminderung i.S.d. gesetzlichen Rentenversicherung keine entscheidende Rolle.
Normenkette
SGB VI § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 4-5, § 241
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1955 geborene Kläger, deutscher Staatsangehöriger marokkanischer Herkunft, will in Marokko zum Aushilfslehrer ausgebildet worden sein. Im Jahr 1984 ist der Kläger dann seinen eigenen Angaben zufolge in Deutschland als Asylberechtigter anerkannt worden und war hier als Kommissionierer und Eisenbieger tätig. Am 23. Oktober 1992 schied er aus dem sozialversicherungspflichtigen Erwerbsleben aus. Wegen eines Tötungsdelikts saß der Kläger seit dem 24. Juli 2002 zunächst in Untersuchungshaft. Mit Urteil des Landgerichts Gießen vom 13. November 2003 wurde er zu einer 12-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Im Versicherungsverlauf des Klägers sind bis zum 23. Oktober 1992 insgesamt 58 Monate und ab dem 24. Oktober 1992 bis 30. April 2003 weitere 124 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Weitere rentenrechtliche Zeiten in der deutschen Rentenversicherung hat der Kläger seitdem nicht zurückgelegt.
Am 10. November 2011 beantragte der Kläger formlos die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund, die den Antrag an die Beklagte weiterleitete. Zur Begründung seines Rentenantrags machte der Kläger geltend, bereits vor seiner Inhaftierung wegen psychisch-seelischer Störungen, Asthma bronchiale, Depression, Psychose, Schizophrenie, posttraumatischer Belastungsstörung, Schwindel und Leistenbruch erwerbsgemindert gewesen zu sein. Hierzu hätten aber auch die unwürdigen Haftbedingungen beigetragen.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil der Kläger ausgehend von einer Antragstellung am 10. November 2011 in dem dann maßgeblichen fünfjährigen Vorbelegungszeitraum vom 10. November 2006 bis 9. November 2011 keinen Monat mit Pflichtbeiträgen habe.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 Widerspruch, zu dessen Begründung er eine Vielzahl von (medizinischen) Unterlagen vorlegte, darunter auch das psychologische Zusatzgutachten des Dipl. Psychologen H. vom 20. Dezember 2002 und das Gutachten des Dr. med. C. - Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie - vom 12. Februar 2003, beide erstellt für die Staatsanwaltschaft Gießen im Ermittlungsverfahren Az.: 403 Js 15680/02.
Nach Auswertung der vorgelegten Unterlagen gelangte Dr. med. D. - Facharzt für Orthopädie - vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 4. Juli 2012 zu der Einschätzung, dass der Kläger ausgehend von den Diagnosen
1. Dissoziale Persönlichkeitsstörung im Rahmen einer langjährigen Inhaftierung
2. Prostatahyperplasie
3. Hämorrhoidalleiden I. Grades
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mittelschwere Arbeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr mit Einschränkungen (keine Tätigkeiten mit Publikumsverkehr, keine Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen und Maschinen, keine Tätigkeiten mit erleichtertem Zugang zu Suchtmitteln, wie z.B. im Alten- und Krankenpflegebereich) verrichten könne.
Durch Widerspruchsbescheid vom 25. September 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück, indem sie zunächst nochmals ausführte, dass in dem maßgeblichen und nicht verlängerbaren Fünf-Jahres-Zeitraum kein Monat mit Pflichtbeiträgen belegt sei. Darüber hinaus sei der Kläger derzeit weder teilweise noch voll erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Als ungelernter Arbeiter dürfe er auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.
Am 12. Oktober 2012 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Marburg (Az.: S 4 R 192/12), das den Rechtsst...