Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Ordnungsgeldbeschluss gegen ausgebliebenen Zeugen. Entscheidung in falscher Besetzung und versäumte Ermessensbetätigung hinsichtlich Ordnungsgeldhöhe. eigene Sachentscheidung durch das Beschwerdegericht. Beschwerdeverfahren. Kostenentscheidung. keine Streitwertfestsetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Festsetzung eines Ordnungsgelds wegen unentschuldigten Ausbleibens eines Zeugen hat durch Beschluss nach § 118 Abs 1 SGG iVm § 380 ZPO in der anberaumten mündlichen Verhandlung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zu erfolgen (§ 12 Abs 1 SGG).
2. Hat das Ausgangsgericht in falscher Besetzung erschienen, kann die Beschwerdeinstanz eine eigene Sachentscheidung treffen.
3. Die Festsetzung der Höhe des Ordnungsgeldes erfordert eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen und des Grundes seines Ausbleibens. Hat das Ausgangsgericht eine Ermessensbetätigung versäumt, hat das Beschwerdegericht diese bei seiner Sachentscheidung nachzuholen.
4. Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren hat entsprechend oder gemäß § 197a SGG zu erfolgen.
5. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die Gebühr für das Beschwerdeverfahren pauschal 50 € beträgt (§ 3 Abs 2 GKG iVm Kostenverzeichnis-Nr 7504).
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. September 2007 wird zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
Die am 31. Oktober 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) eingelegte und am 21. April 2008 dem Hessischen Landessozialgericht vorgelegte Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Ordnungsgeldbeschluss des SG vom 4. September 2007, ihm zugestellt am 26. Oktober 2007, ist zulässig ohne in der Sache Erfolg zu haben.
Gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. V. m. § 380 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO - werden einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Gemäß Art. 6 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) beträgt das Ordnungsgeld zwischen 5,00 € und 1.000,00 €.
Bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes geht das Gesetz davon aus, dass sie sofort zu erfolgen hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Dies ergibt sich aus der in § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO für das Gericht begründeten Pflicht, unter Umständen die getroffenen Anordnungen nachträglich wieder aufzuheben. Danach hätte der Beschluss bereits während der mündlichen Verhandlung - nach Feststellung der ordnungsgemäßen Ladung des Zeugen - unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter ergehen müssen (so auch: Bayerisches LSG, 3.7.1967 - L 7/S 10/67; LSG Baden-Württemberg, 29.6.1984 - L 5 B 60/84; LSG NRW, 27.4.1997 - L 11 S 2/97; Thüringer LSG, 21.4.1994 - L 3 B 1/94 -, 20.4.2005 - L 6 B 3/04 RJ und 23.8.2004 - L 3 B 39/04 AL). Die ehrenamtlichen Richter wirken zwar u. a. bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mit ( § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts folgt hier aber daraus, dass die Kammer nicht nur in dem Verfahren zur Beschlussfassung des Urteils in voller Besetzung entscheidet, sondern auch bei allen in der Sitzung erforderlich werdenden Beschlüssen, soweit sie nicht dem Vorsitzenden zugewiesen sind oder abweichende Vorschriften gelten (vgl. Keller in Mayer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl., § 12 Rn. 2a; Bayerisches LSG, a.a.O.). Der Ordnungsgeldbeschluss nach § 380 Abs. 1 ZPO ist nach den obigen Ausführungen als ein in der Sitzung erforderlich werdender Beschluss anzusehen und hat daher sofort zu erfolgen. Er durfte nicht durch die Kammervorsitzende alleine, das heißt ohne die ehrenamtlichen Richter, erlassen werden. Auch konnte die Kammer nicht mit Einverständnis der ehrenamtlichen Richter abweichend von der gesetzlich bestimmten Besetzung die Entscheidung der Kammervorsitzenden überlassen.
Nur vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass ebenso eine Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses aufgrund einer nachträglichen Entschuldigung gemäß § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 381 Abs. 1 S. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung einer Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter bedürfte.
Ist danach der Beschluss in falscher Besetzung ergangen, ist gleichwohl der Beschluss nicht aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das SG zurückzuverweisen (Thüringer LSG, 20.4.2005, a.a.O.; a.A. wohl Thüringer LSG, 23.8.2004, a.a.O.). Steht es im freien Ermessen des Senats, eine eigene Sachentscheidung zu treffen (vgl. Thüringer LSG, 20.4.2005, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Thüringer LSG, Beschluss vom 21. April 1994, a.a.O., Leitherer in Meyer-Ladewig, a.a.O., § 176 Rn. 4 sowie Behn in Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Aufl., § 172 Rn. 37 - X/1996 - und § 176 Rn. 6 - IX/2002), ist das hier angezeigt, we...