Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfe. Anrechnung der für die anwaltliche Tätigkeit im vorangegangenen Widerspruchsverfahren entstandenen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nur bei tatsächlich erfolgten Zahlungen. KostRMoG 2
Leitsatz (amtlich)
Zahlungen auf die Geschäftsgebühr nach der Nr 2302 VV-RVG in der ab dem 1.8.2013 gültigen Fassung für die Tätigkeit eines im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwaltes im Widerspruchsverfahren sind auf die Verfahrensgebühr nach der Nr 3102 VV-RVG nur anzurechnen, wenn sie tatsächlich erfolgt sind.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 29. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
In dem Rechtsstreit der Kläger B. und C. gegen den Landkreis Hersfeld-Rotenburg vor dem Sozialgericht Fulda (S 2 AS 165/13) stritten die Beteiligten über angemessene Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II). Die am 10. Oktober 2013 eingelegte Klage richtete sich gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 16. September 2013. Der Beschwerdegegner war für die Kläger bereits im Widerspruchsverfahren tätig geworden. Mit Beschluss vom 23. Januar 2014 bewilligte das Sozialgericht den Klägern antragsgemäß Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab 10. Oktober 2013 unter Beiordnung des Beschwerdegegners. Das Klageverfahren wurde am 17. Februar 2014 durch angenommenes Anerkenntnis beendet. Mit Beschluss vom 10. Juni 2014 entschied das Sozialgericht auf Antrag der Kläger, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben.
Am 17. Februar 2014 machte der Beschwerdegegner gegenüber der Staatskasse für seine Tätigkeit als beigeordneter Rechtsanwalt in dem Verfahren S 2 AS 165/13 insgesamt 809,20 € geltend. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte unter dem 28. Februar 2014 die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 392,70 € fest. Zur Begründung führte der Urkundsbeamte unter anderem aus, die Geschäftsgebühr, die hier ebenfalls entstanden sei, werde in Höhe von 130,00 € angerechnet.
Gegen die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten legte der Beschwerdegegner am 26. März 2014 Erinnerung ein. Die vom Gericht vorgenommene Kürzung der Verfahrensgebühr mit der Begründung fiktiver möglicher Gebührenansprüche des Klägers gegenüber den Verfahrensgegnern widerspreche dem Wortlaut und den gesetzlichen Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).
Demgegenüber vertrat der Beschwerdeführer die Meinung, der Beschwerdegegner sei bereits im Widerspruchsverfahren für die Kläger tätig gewesen. Mit dieser vorgerichtlichen Tätigkeit sei eine Geschäftsgebühr nach der Nr. 2302 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) ausgelöst worden. Sie gelte damit auch als entstanden. Für das rechtliche Entstehen der Geschäftsgebühr sei einzig erforderlich, dass der Rechtsanwalt eine erste Dienstleistung erbracht habe. Ob der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten seine Tätigkeit nach diesem Gebührentatbestand abrechne oder ob er stattdessen seine Vergütung aus einer Gebührenvereinbarung oder aus einem Dauermandat verlangen könne, ändere am Entstehen der Gebühr nichts. Aus der Gesetzesbegründung zum Zweiten Kostenrechtsmodernisierungs-Gesetz (2. KostRMoG) ergebe sich, dass es Ziel des Gesetzgebers gewesen sei, eine gebührenrechtliche Gleichbehandlung des Rechtsanwalts, der unmittelbar einen Prozessauftrag erhalte, mit dem Rechtsanwalt, der zunächst außergerichtlich tätig gewesen sei, auszuschließen, weil der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, für die die gerichtliche Verfahrensgebühr entstehe, entscheidend davon beeinflusst werde, ob der Rechtsanwalt durch seine vorgerichtliche Tätigkeit bereits mit der Angelegenheit befasst gewesen sei oder nicht. Der Staatskasse sei auch die Anrechnung nicht nach § 15a RVG verwehrt. Denn die Staatskasse sei nicht Dritte im Sinne der Vorschrift. Da sie gemäß § 45 Abs. 1 RVG dem beigeordneten Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung schulde, trete sie mit der Beiordnung und PKH-Bewilligung hinsichtlich der Zahlungspflicht an die Stelle der Kläger. Die vorgenommene Anrechnung auf die gerichtliche Verfahrensgebühr gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG in Höhe einer halben Geschäftsgebühr nach der Nr. 2302 VV-RVG sei zutreffend.
Mit Beschluss vom 29. Juli 2014 setzte das Sozialgericht die dem Beschwerdegegner zu erstattende Vergütung auf insgesamt 547,40 € fest. Außerdem ließ das Sozialgericht die Beschwerde zu. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Sozialgericht aus, allein streitentscheidend sei noch, ob der Urkundsbeamte zu Recht die für die Vertretung der Kläger im Vorverfahren unbestritten entstandene Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV-RVG auf die für die Vertretung im Klageverfahren zu zahlende Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV-RVG angerechnet habe. Diese Anrechnungslösung sei für die Rechtsanwaltsvergütung im Sozialprozess mit Wirkung vom 1. August 2013 durch das Zweite Kostenrechtsmodern...