Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung
Orientierungssatz
1. Die Begründungspflicht nach § 86a Abs 2 Nr 5 SGG hat den Zweck, dass der Betroffene durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zum Sofortvollzug veranlasst haben, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abschätzen kann. Die Begründungspflicht soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollziehungsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Diese vom Gesetzgeber herausgestellte "Warnfunktion" der Begründungspflicht beruht auf dem hohen verfassungsrechtlichen Stellenwert, der aufgrund von Art 19 Abs 4 GG der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen belastende Verwaltungsakte zuzumessen ist.
2. Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses daran, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm bekämpften Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden. Die Begründung kann ausnahmsweise auf die Begründung des zu vollziehenden Verwaltungsakts Bezug nehmen, wenn aus diesem bereits die besondere Dringlichkeit hervorgeht und die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar erkennbar ist. Sie ist aber auch in diesem Fall, dh, wenn für den Sofortvollzug dieselben Gründe maßgeblich sind wie für den Verwaltungsakt, nicht entbehrlich. Fehlt die erforderliche Begründung oder ist sie unzulänglich, ist der Sofortvollzug rechtswidrig.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsverlangens des Antragsgegners.
Der Antragsteller ist der Vater der 1984 geborenen A. (R.), die seit dem 1. März 2003 vom Antragsgegner Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt bezog. Mit Bescheid vom 5. August 2004 übermittelte der Antragsgegner dem Antragsteller eine Rechtswahrungsanzeige gemäß § 91 Abs. 3 BSHG und forderte den Antragsteller gleichzeitig auf, gemäß § 116 BSHG Auskunft über seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu geben. Insoweit ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) an, weil die Feststellung von gegenüber der Sozialhilfe vorrangigen Unterhaltsansprüchen im öffentlichen Interesse liege und daher die Leistungsfähigkeit überprüft werden müsse.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller mit am 26. August 2004 eingegangenen Schreiben vom 24. August 2004 Widerspruch, den der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 11. August 2005 zurückwies. Die dagegen erhobene Klage ist unter dem Aktenzeichen S 16 SO 125/05 beim Sozialgericht Darmstadt (SG) anhängig.
Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2005 beantragte der Antragsteller wegen der von ihm geforderten Auskunftserteilung die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Seinen Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 20. August 2004 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 5. August 2004 anzuordnen, hat das SG durch Beschluss vom 31. Juli 2006 abgelehnt.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, dass das Auskunftsverlangen des Antragsgegners, das seine Rechtsgrundlage in § 16 Abs. 1 BSHG finde, rechtmäßig sei. Vom Antragsteller als Vater der R. habe Auskunft gemäß Abs. 1 S. 1 dieser Vorschrift verlangt werden können, soweit der - potentielle - Unterhaltsanspruch der Tochter aufgrund Rechtswahrungsanzeige gemäß § 91 Abs. 3 BSHG auf den Träger der Sozialleistungen übergegangen gewesen sei. Die Rechtswahrungsanzeige sei ebenfalls mit Schreiben vom 5. August 2004 erfolgt. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Auskünfte des Antragstellers für den Antragsgegner erforderlich seien, um die Regelungen des BSHG durchzuführen, insbesondere dem Nachranggrundsatz aus § 2 BSHG gerecht zu werden. Insoweit sei Unterhaltsanspruch der Tochter gegenüber dem Antragsteller auch nicht offensichtlich ausgeschlossen, wie dies das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung als Ausnahme von der Regelung des § 116 Abs. 1 S. 1 BSHG angenommen habe. Nach dieser Rechtsprechung setze das Auskunftsverlangen nicht voraus, dass der zur Überleitung vorgesehene Unterhaltsanspruch tatsächlich bestehe. Vielmehr sei zu Auskunft bereits verpflichtet, wer als - potentieller - Unterhaltsschuldner des Sozialhilfeempfängers in Betracht komme. Dem Antragsteller sei zwar zuzugestehen, dass seine Tochter ein Verhalten an den Tag gelegt habe, welches einen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch auszuschließen vermöge. Allerdings sei weder tatsächlich noch rechtlich eindeutig geklärt, dass das Verhalten zwingend zum Ausschluss eines Unterhaltsanspruches führen müsste. Zum einen sei insoweit das Verhalten der Tochter noch näher zu...