Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung mittelbarer Folgen eines Arbeitsunfalls

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung eines gesundheitlichen Schadens als unmittelbare Folge eines Arbeitsunfalls bedarf es grundsätzlich des Nachweises eines entsprechenden Gesundheitserstschadens als Anknüpfungstatsache.

2. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB 7 sind Folgen eines Versicherungsfalls auch solche Gesundheitsschäden, welche infolge der Durchführung eines Heilverfahrens nach dem SGB 7 oder durch Maßnahmen wesentlich verursacht wurden, die zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet wurden. Diese mittelbaren Folgen müssen nicht durch den Gesundheitserstschaden verursacht worden sein (BSG Urteil vom 15. 5. 2012, B 2 U 31/11 R).

3. Auch die Prüfung des Ursachenzusammenhanges zwischen einer Gesundheitsstörung und einer der nach § 11 Abs. 1 SGB 7 tatbestandlichen Maßnahmen erfolgt nach der Theorie der wesentlichen Bedingung.

4. Der Beweisgrad der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.11.2016; Aktenzeichen B 2 U 234/16 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Feststellung, dass die Instabilität der rechten Schulter der Klägerin Folge des Arbeitsunfalls vom 20. Dezember 2002 ist, sowie um höhere Verletztenrente.

Bei dem am 20. Dezember 2002 erlittenen Arbeitsunfall stolperte die 1949 geborene Klägerin auf dem Weg zum Abschließen von landwirtschaftlichen Gebäuden und fiel auf den rechten Arm. In der Ambulanz der Orthopädischen Klinik in H... L... wurden als Diagnosen eine Ellenbogenluxation rechts, eine Radiusköpfchenfraktur rechts sowie eine Rippenprellung rechts festgestellt (ärztlicher Bericht vom 5. März 2003). Noch am Unfalltag erfolgte die Reposition des luxierten Ellenbogengelenks in Narkose. Am 21. Januar 2003 wurden operativ eine Arthrotomie des rechten Ellenbogengelenkes und eine Radiusköpfchenresektion vorgenommen. Die Klägerin wurde mit einem Oberarmgips versorgt. Am 17. März 2003 erfolgte die Mobilisierung der rechten Schulter, des rechten Ellenbogengelenks und des rechten Handgelenkes in Narkose (ärztlicher Bericht der Orthopädischen Klinik in H... L... vom 30. Juli 2003). Neurologisch wurde eine Nervus-ulnaris-Läsion rechts festgestellt (ärztlicher Bericht des Dr. C. vom 2. Juli 2003). Ab 30. September 2003 war die Klägerin wieder arbeitsfähig. Als vorbestehende Gesundheitsstörungen der Klägerin sind u. a. Reizzustände der Schultergelenke in den Jahren 1991, 1992 und 1996 bekannt. Die Klägerin macht geltend, in den Jahren nach dem Arbeitsunfall mehrfach Luxationen der rechten Schulter erlitten zu haben, nach eigenen Angaben am 1. Mai 2016 (ohne nähere Dokumentation), des Weiteren am 13. Februar 2007, am 13. Oktober 2007 sowie im Februar 2008.

Im Auftrag der Beklagten erstatteten Dres. D. und E. am 19. März 2004 ein orthopädisch-traumatologisches Gutachten und stellten als Unfallfolgen fest: Verlust des Speichenköpfchen rechts, umformende Veränderungen im rechten Ellenbogengelenk mit beugeseitigen und streckseitigen Ossifikationen, endgradige Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenks beim Beugen und Strecken, geringe Kapselbandschwäche des rechten Ellenbogens, diffuse Mineralsalzminderung der rechten Hand, leichtgradige Schädigung des rechten Nervus ulnaris mit einer funktionell unbedeutenden Kribbelmissempfindung im Kleinfinger und im Handballen sowie am ulnaren Unterarm rechts. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzten die Gutachter für die Zeit vom 30. September 2003 bis 31. März 2004 mit 20 v. H. und danach mit 10 v. H. ein. Dr. F. erstellte unter dem 27. Februar 2004 ein neurologisches Gutachten und diagnostizierte auf seinem Fachgebiet eine leichtgradige Schädigung des rechten Nervus ulnaris. Er führte aus, dass diese keine messbare MdE bedinge.

Mit Bescheid vom 20. April 2004 erkannte die Beklagte das Unfallereignis vom 20. Dezember 2002 als Arbeitsunfall an sowie als Unfallverletzung eine Ellenbogenverrenkung rechts mit Mehrfragmentbruch am rechten Speichenköpfchen und eine Rippenprellung rechts. Als Unfallfolgen stellte sie fest: Verlust des Speichenköpfchen rechts, endgradige Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenks sowie geringe Kapselbandschwäche des rechten Ellenbogens, Formveränderungen im Bereich des rechten Ellenbogengelenks mit Verkalkungen in den Weichteilen und Kalksalzminderung im Bereich der rechten Hand, leichtgradige Schädigung des Nervus ulnaris mit Missempfindungen im Bereich der rechten Hand und des rechten Unterarmes. Keine Unfallfolgen seien: In Fehlstellung und mit Verkürzung verheilter Schlüsselbeinbruch rechts mit Auswirkungen auf das rechte Schultereckgelenk, endgradige Bewegungsstörung d...

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