Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Leistungspflicht der Krankenkasse für eine postbariatrische Operation von übergroßen Oberschenkeln, Brüsten und Gesäß
Orientierungssatz
1. Die Leistungspflicht der Krankenkasse setzt nach § 27 Abs. 1 SGB 5 das Bestehen einer behandlungsbedürftigen Krankheit voraus. Wird durch eine Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen, so müssen eine schwerwiegende Erkrankung, die erfolglose Ausschöpfung konservativer Behandlungsmaßnahmen und die mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass die Maßnahme auch den gewünschten Behandlungserfolg bringt.
2. Liegt ein regelwidriger körperlicher Zustand nicht vor, sondern bestehen allenfalls psychische Beeinträchtigungen durch übergroße Oberschenkel, Brüste und Gesäß, so sind diese vorgreiflich durch Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden konventionellen, nichtoperativen Behandlungsalternativen auf psychischem und dem jeweiligen ärztlichen Fachgebiet zu behandeln.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 8. Mai 2017 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Verpflichtung zur Gewährung von Sachleistungen an die Klägerin in Form postbariatrischer Operationen im Bereich der Oberschenkel, Brust, Flanken, Gesäß und Schamhügel.
Die 1982 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Im Jahr 2012 wurde bei ihr eine Magenbypass-Operation durchgeführt, in deren Folge sie bei einer Körpergröße von 1,70 m ihr Gewicht von zuvor 143 kg um 73 kg reduzieren konnte. Mit Schreiben vom 10. März 2014 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme eines Bodylift im Bereich Bauch, Flanken, Po und Schamhügel, Bruststraffung mit Prothesen und Oberschenkelrekonstruktion. Dem Antrag war eine ärztliche Bescheinigung ihrer Hausärztin Dr. C. vom 13. März 2014 beigefügt, wonach die Klägerin an Fettschürzen, psychischen Beeinträchtigungen und Bewegungsbeeinträchtigungen leide. Das Achsenskelett werde frühzeitig geschädigt und es drohe eine Muskelinsuffizienz. Weiter beigefügt waren ein Ausdruck der Hausärztin über ein Blutbild der Klägerin vom 27. März 2014, eine Fotodokumentation im unbekleideten Zustand sowie eine ärztliche Bescheinigung des D...-Krankenhauses W..., Klinik für plastische Chirurgie vom 6. Februar 2014. Darin wurde die Durchführung einer zirkulären Dermofettresektion (modifiziertes Bodylift nach Lockwood) empfohlen. Dieser Eingriff werde aufgrund der ausgeprägten statischmuskulären Dysbalance des Rumpfes für medizinisch indiziert erachtet. Drei bis sechs Monate später würde dann eine beidseitige Oberschenkelrekonstruktion erfolgen. Weitere drei bis sechs Monate später die beidseitige Oberarmrekonstruktion und eine Bruststraffung mit bzw. ohne Prothesen.
Mit Schreiben vom 17. April 2014 forderte die Beklage eine Stellungnahme beim medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) an und informierte die Klägerin hierüber mit Schreiben vom gleichen Tag. In ihrem Sozialmedizinischen Gutachten vom 5. Mai 2014 führte die Sachverständige Dr. D. für den MDK aus, dass eine Indikation für die Kostenübernahme der operativen Straffung der Bauchfettschürze gesehen werde. Die funktionellen Einschränkungen seien insoweit plausibel und es sei auch nachvollziehbar, dass die Klägerin an chronisch rezidivierenden ekzematösen Hautveränderungen leide. Die Klägerin habe nach der vorliegenden Fotodokumentation kleine symmetrische leicht herabhängende Brüste. Die Brustgröße an sich stelle keinen regelwidrigen Körperzustand dar. Die Klägerin sei schlank und daher sei auch der Fettanteil der Brust gering. Soweit die Klägerin an psychischen Problemen leide, müsse die Klägerin vorrangig Psychotherapie in Anspruch nehmen. Weiter sei die Klägerin auch im Bereich der Brüste nicht entstellt. Es werde daher keine medizinische Indikation für eine operative Bruststraffung gesehen. Im Bereich der Oberschenkel seien medizinisch keine Funktionseinschränkungen zu erwarten. Die angegebenen Hautveränderungen seien medizinisch nicht plausibel. Eventuelle Hautbeschwerden seien durch hautärztliche Mitbehandlung und konsequente Hautpflege zu behandeln unter Einschluss sämtlicher zur Verfügung stehender Maßnahmen (u.a. konsequente Anpassung der Wäsche, Tragen langer Strümpfe, bzw. Strumpfhosen, ggfs. auch Leggings, konsequente Hautpflege, besondere Sorgfalt bei der Auswahl der Materialzusammensetzung der Wäsche, gute Körperhygiene, Vermeiden von Kratzen, ggf. Einsatz von austrocknenden Hautmitteln, wie Zinkpaste oder ähnliches). Eine Entstellung liege nicht vor, daher werde keine medizinische Indikation für die Oberschenkelstraffung gesehen.
Mit Bescheid vom 7. Mai 2014 erklärte sich die Beklagte bereit, die Kosten für die Bauchdeckenstraffung im D...-Krankenhaus in Wesseling zu übernehmen. Im Übrigen lehnte die Beklagte den Antrag unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Begutachtung des MDK ab. Dagege...